Historische Arbeiten
W. Griem, 2020Inhalt der Seite:
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Neumayr, Uhlig (1897)
Geologie
Foto/Scan - Digital Bearbeitet: (W.Griem, 2007,
2019);
von: M.Neumayr / V.Uhlig (1897) "Meteorit
von Krassnojarsk (Pallaseisen)"; Seite 69a Original Größe der Abbildung:
10 cm x
9
cm.
Titel: Meteorit von Krassnojarsk (Pallaseisen)
[*2] Ernst Flores Friedrich Chladni, 1756 – 1827, deutscher Jurist, Physiker und Astronom – stellte die damals umstrittene Hypothese auf, daß die Meteorite aus dem Weltraum entstammen und Überreste der Bildung des Sonnensystems seien.
Abb. 72: Gehämmerter Meteorit - gefälschter Meteorit
Neumayr, M. Uhlig, V. (1897): Erdgeschichte. -
Band 1: 692
Seiten, 378
Abbildungen; Band 2: 700 Seiten, 495 Abbildungen, Verlag Bibliographisches Institut,
Leipzig und Wien.
[Sammlung W. Griem]
Die Abbildungen wurden mit einem HP
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wurden erläuternde und orientierende Zeilen eingefügt (W.Griem, 2020).
Pallasite
sind Meteorite mit einer Fe-Ni Matrix und eingeschlossenen Olivinen. Der
Pallasit von Krassnojarsk war der erste gefundene seiner Art - um 1749
An diesem Stück wurden erstmals die Widmanstätten - Struktur sichtbar
gemacht.
Originaltext von Neumayr & Uhlig, 1897:
p.91
Die Meteoriten.
Waren wir bei den Fixsternen und Planeten auf die Untersuchung durch das
Teleskop angewiesen, so ist uns eine unmittelbare chemische und
physikalische Prüfung an jenen Gebilden vergönnt, welche aus den
Welträumen auf die Oberfläche der Erde niederstürzen, an den Meteoriten
oder Aerolithen. Diese merkwürdigen Ankömmlinge können wir der
chemischen Analyse unterwerfen, Dünnschliffe von ihnen unter dem
Mikroskop beobachten, sie mit den irdischen Mineralien und Gesteinen
vergleichen und ihnen aus diese Weise eine Reihe der wichtigsten
Aufschlüsse über die schwierigen Fragen entnehmen, die wir hier
besprechen.
Die Erscheinungen beim Falle der Meteoriten sind oft gesehen worden; da
aber wissenschaftliche Beobachter nur höchst selten in unmittelbarer
Nähe waren, da ferner die Kürze der Dauer und die Überraschung eine
richtige Beurteilung erschweren und die erhitzte Phantasie das
ungewöhnliche Ereignis oft genug ausschmückt und entstellt, so ist es
eine sehr schwierige Aufgabe, den richtigen Sachverhalt in den einzelnen
Fällen festzustellen. In der Regel sieht man über weite Strecken hin
eine glänzende Feuerkugel ziehen, die einen leuchtenden, meist längere
Zeit hindurch sichtbaren Schweif zurückläßt; in der Nähe des Ortes, an
welchem der Meteorit fällt, ist oft von einer Lichterscheinung nichts zu
sehen, indem dieselbe von einem Wölkchen umgeben und verdeckt ist. Den
Schluß der Bahn bezeichnet eine gewaltige Detonation, an die sich ein
längeres Rollen mit schwächeren Schlägen anzuschließen pflegt, das
Meteor scheint zu platzen, und nun erfolgt der Niedersturz eines oder
mehrerer Steine, welche glühend heiß oder auch ohne merklich erhöhte
Temperatur die Erde erreichen und sich bald in den Boden einwühlen, bald
an der Oberfläche liegen bleiben. Dis geschilderten Umstände treten
nicht immer in derselben Weise, nicht immer in dieser Gemeinsamkeit auf,
doch würde es zu weit führen, wenn wir die Einzelheiten ausführlich
beschreiben wollten; nur das sei bemerkt, daß Wolkenbedeckung des
Himmels, Regen, Sturm und ähnliche Begleiterscheinungen, die bisweilen
erwähnt werden, mit dem Falle der Aerolithen nichts zu tun haben; sie
können zufällig zu derselben Zeit eintreten, stehen aber in keinem
ursächlichen Zusammenhang damit.
Als Beispiel mag hier ein kurzer Bericht über den Meteoritenfall
von Hraschina bei Agram vom 28. Mai 1751 folgen; derselbe
erregte großes Aufsehen, selbst die Kaiserin Maria Theresia
interessierte sich für die Sache, und in ihrem Auftrag ließ der Bischof
von Agram an Ort und Stelle Zeugen vereidigen und ein Protokoll
aufnehmen. Am genannten Tage um 6 Uhr abends sah man von Osten her ein
glänzendes Meteor ziehen, das unter furchtbarem Knalle zersprang, dann
folgte ein länger dauerndes Rasseln und Brausen, und es fielen zwei
Steinstücke zur Erde, während das Meteor einen rauchähnlichen Streifen
auf seiner Bahn zurückließ. Von den zwei Stücken war das größere „drei
Ellbogen tief" in die Erde eines frisch geackerten Feldes eingedrungen;
beide wurden nach Wien geschickt, das kleinere ist verschollen, das
größere dagegen wird als eins der wertvollsten Exemplare in der
berühmten Meteoritensammlung des Hofmineralienkabinetts in Wien
aufbewahrt. Der Steinfall von Hraschina gehört aus mehrfachen Gründen zu
den interessantesten; zunächst, weil er einer der ältesten ist, von
welchen ein genauer, urkundlich gut beglaubigter Bericht vorliegt,
ferner, weil der Meteorit selbst erhalten ist (vgl. Abbildung 71), und
endlich, weil an diesem einer der eigentümlichsten Charaktere, der fast
allen Meteoreisenmassen zukommt, das Auftreten der bald näher zu
besprechenden „Widmanstättenschen Figuren", zuerst beobachtet wurde.
Abb. 71: Meteorit von Hraschina - Neumayr & Uhlig
Wir fügen noch einen zweiten Bericht über einen Aerolithen-Fall bei,
welcher sich am 26. April 1803 bei L'Aigle in der Normandie ereignete,
und der in der Geschichte der Wissenschaft darum von Wichtigkeit ist,
weil durch die über dieses Ereignis von dem berühmten Physiker Biot
angestellten Untersuchungen endgültig die Zweifel zerstreut wurden,
welche manche Gelehrte noch gegen das wirkliche Vorkommen von Meteoriten
hegten. Bei heiterem Himmel sah man zu Caen, Falaise, Pont Audemer,
Verneuil und Alencon, also in weit voneinander entfernten Gegenden, eine
Feuerkugel, die sich rasch von Südosten nach Nordwesten bewegte; einige
Augenblicke darauf hörte man in der Gegend von L'Aigle, in einem Bezirk
von etwa 30 französischen Meilen im Durchmesser, eine starke Explosion,
die 5—6 Minuten dauerte und einigen Kanonenschüssen, daraus folgendem
Kleingewehrfeuer und einem schrecklichen, wie von vielen Trommeln
herrührenden Getöse ähnlich gefunden wurde. Das Meteor erschien dort
nicht als Feuerkugel, sondern (wie mehrmals, z. B. bei Siena 1794, bei
Knyahinya in Ungarn 1866, infolge von Verdeckung durch den ausbrechenden
Rauch) als ein kleines Wölkchen, welches ungefähr die Gestalt eines
Rechtecks hatte, dessen größere Seite von Osten nach Westen gestellt
war. Dieses Wölkchen schien stillzustehen (weil die Bewegung ganz gerade
nach dem Zuschauer hin ging), nur einige Teile von den Dämpfen, aus
denen es bestand, entfernten sich durch die aufeinander folgenden
Explosionen nach allen Richtungen; es schien etwa ½ Meile gegen
Nordwesten von L'Aigle entfernt zu sein und muß sich in beträchtlicher
Höhe befunden haben, da die Einwohner von zwei Ortschaften, die über
eine französische Meile auseinander liegen, es zu gleicher Zeit
senkrecht über sich zu sehen glaubten. In der ganzen Gegend, über
welcher das Wölkchen stand, hörte man ein Zischen wie von Steinen, die
aus einer Schleuder geworfen werden, worauf eine große Menge von
Meteorsteinen (etwa 3000) niederfielen. Die Gegend, über welche die
Steine verteilt gefunden wurden, bildet eine elliptische Fläche von
ungefähr 2 ½ Meilen Länge und 1 Meile Breite. Die grüßten Steine sind
am südöstlichen Ende der Ellipse gesammelt worden, die kleinsten am
nordwestlichsten, die von mittleren Dimensionen in der Mitte; übrigens
erreichte trotz der riesigen Menge der Stücke keines eine sehr
bedeutende Masse, nur eins wies ein Gewicht von 17 ½ Pfund auf, während
der kleinste der aufgefundenen Steine nur 2 Quentchen wog [etwa 9,7 g.].
Ereignisse wie die geschilderten müssen in bewohnten Gegenden von einer
Menge von Personen beobachtet werden und allgemeines Aufsehen erregen.
Es ist daher natürlich, daß schon aus sehr alter Zeit Nachrichten über
solche vorliegen, zumal da der Aberglaube stets geneigt ist,
außergewöhnlichen Erscheinungen eine übernatürliche Bedeutung
zuzuschreiben.
Die ältesten unzweideutigen Nachrichten verdanken wir den Chroniken der
Chinesen, welche jedes Vorkommnis mit peinlicher Genauigkeit
verzeichnen; der erste Fall wird von ihnen aus dem Jahre 694 v. Chr.
angegeben, und von diesem Zeitpunkt an bis 333 n. Chr. hat Biot nach dem
„Ma-tuan-lin" deren 16 aufgezählt. Die Berichte aus dem klassischen
Altertum sind, wenigstens was die früheren Zeiten betrifft, bei weitem
nicht so sicher. Die Deutung, welche man einzelnen Stellen bei Homer in
dieser Hinsicht hat geben wollen, ist sehr zweifelhaft, und auch die
weit bestimmter lautenden Nachrichten über Steine, die zur Zeit des
Eteokles, des Sohnes des Ödipus, zu Orchomenos in Böotien vom Himmel
gefallen sein sollen, sind ziemlich unsicher. Die erste unzweifelhafte
Nachricht aus griechischen Schriftstellern erhalten wir aus dem Jahre
465 vor unserer Zeitrechnung über einen Aerolithen, der bei Ägospotamos
am Hellespont in der Nähe des heutigen Gallipoli an jenem Orte fiel, an
welchem später die letzte Entscheidungsschlacht des Peleponnesischen
Krieges geschlagen wurde. Von da an bringen die griechischen und
römischen Schriftsteller bisweilen Nachrichten über Ärolithenfälle. In
Rom soll schon in alter Zeit, unter Numa Pompilius, das Ancile, eine
schildförmige Metallmasse, vom Himmel gefallen sein, ein Aerolith,
welcher als eine Art von Talisman betrachtet wurde, wie auch anderwärts
Steine, denen man einen ähnlichen Ursprung nachrühmte, in Tempeln als
Gegenstände der Verehrung ausbewahrt wurden; so auf Kreta, in Theben,
Ephesos, zu Pessinus in Phrygien und an anderen Orten. Weitaus das
größte Ansehen erwarb sich der 2 m hohe, Hadschar el Aswad genannte
schwarze Stein, welcher in der südlichen Ecke der Kaaba zu Mekka
eingemauert ist; Millionen von Menschen verehren ihn noch heute.
Besondere Kraft und Bedeutung wurde begreiflicherweise dem meteorischen
Eisen beigemessen; dem Metall, das vom Himmel kam, da es ein
unmittelbares Geschenk der Gottheit war, mußten wunderbare Wirkungen
innewohnen. Namentlich im Orient war der Glaube verbreitet an die
siegbringende und vor Wunden schützende Macht meteorischen Eisens, und
verschiedene Herrscher ließen sich Waffen aus niedergefallenen Massen
solchen Meteoreisens schmieden. Um so merkwürdiger aber wurde die Sache
dadurch, daß manches Meteoreisen sich nicht hämmern läßt, und daß daher
oft alle Künste der erfahrensten Meister scheiterten. Es ist dabei
auffallend, daß infolge der Zusammensetzung der meisten Meteoreisen aus
verschieden harten Lamellen die aus denselben geschmiedeten Stücke genau
das Aussehen von damasziertem Stahl haben (s. Abbildung 72);
ja, man kann der Ansicht nicht alle Berechtigung absprechen, daß die
orientalische Technik der Herstellung damaszierter Klingen ihren
Ursprung den Versuchen behufs Nachahmung der wunderkräftigen
Meteoritenschwerter verdanke.
Im Mittelalter und in der Neuzeit werden Berichte über Aerolithen immer
häufiger. Überall erregen sie das größte Aufsehen, zumal wenn sie von
außergewöhnlichen, allerdings meist rein zufälligen Umständen begleitet
sind; so der Fall von Ensisheim am 7. November 1492, den Kaiser
Maximilian I. von Deutschland als eine Vorbedeutung benutzte, um die
Christenheit zum Kampfe gegen die Türken aufzufordern. [*1]
Ein Steinregen bei Schleusingen in
Thüringen, am 19. Mai 1552, schlug viele Fenster ein und tötete das
Leibpferd des Fürsten von Schwarzburg- Rudolstadt, am 4. September 1511
wurde ein Priester zu Crema an der Adda von einem Meteoriten erschlagen.
Angaben der bestimmtesten Art über Ereignisse, welche teilweise von
Hunderten und Tausenden von Zeugen gesehen wurden und ganze Länder in
Aufregung versetzten, liegen in beträchtlicher Anzahl vor, so daß ein
Zweifel an der tatsächlichen Existenz von Aerolithen nahezu unmöglich
und unvernünftig erscheint; um so mehr ist man erstaunt, zu sehen, daß
im vorigen Jahrhundert fast alle Gelehrten die Nachrichten über
derartige Vorkommnisse als auf Irrtum, Aberglauben und Fälschung
beruhend erklärten und es für eine physische Unmöglichkeit hielten, daß
Steine vom Himmel fallen. Als z.B. im Jahre 1790 die oben erwähnte
Urkunde über den Agramer Meteoritenfall vom Jahre 1751 veröffentlicht
wurde, behauptete Stütz: „Daß das Eisen vom Himmel gefallen seilt soll,
mögen der Naturgeschichte Unkundige glauben, mögen im Jahre 1751 selbst
Deutschlands aufgeklärtere Köpfe bei der damals unter uns herrschenden
Ungewißheit in der Naturgeschichte und Physik geglaubt haben; aber in
unserer Zeit wäre es unverzeihlich, solche Märchen auch nur
wahrscheinlich zu finden", Im Jahre 1790 ereignete sich zu Juillac in
der Gascogne ein Meteoritenfall, über den die Gemeindebehörde höchst
vernünftiger- und lobenswerterweise ein Protokoll aufnehmen ließ,
welches über 300 Augenzeugen Unterzeichneten, Als aber dieses Dokument
der Pariser Akademie vorgelegt wurde, fand man eilte obrigkeitlich
beglaubigte Urkunde über einen derartigen Blödsinn sehr unterhaltend.
Das große Verdienst, hier der Wahrheit Bahn gebrochen zu haben, gebührt
dem bedeutenden Physiker Chladni aus Wittenberg [*2], dem Begründer der
wissenschaftlichen Akustik; nachdem schon manche vor ihm richtige
Ahnungen gehegt und geäußert hatten, war er es, der in einer im Jahre
1794 erschienenen Schrift [*3] mit vollster Bestimmtheit nachwies:
„erstens, daß öfters Stein- und Eisenmassen vom Himmel gefallen sind und
dieses als historisch erwiesene Tatsache anerkannt werden muß; zweitens,
daß dieses Ereignis identisch mit Feuerkugeln ist und diese nichts
anderes als eine solche brennende Masse sind; drittens, daß diese Massen
kosmisch sind, d. h, Ankömmlinge aus dem Weltraum, welche vorher der
Erde und ihrer Atmosphäre fremd waren."
Es sind dies die eigenen Worte Chladnis, in welchen er die Ergebnisse
seiner epochemachenden Arbeit zusammenfaßt; nur vier Jahre waren
verflossen, seit der urkundlich belegte Bericht über den Meteoritenfall
von Juillac von der gelehrten Welt als eine Torheit beiseite geschoben
worden war, und es läßt sich ermessen, welchem Widerspruch der Forscher
begegnete, als er dem Vorurteil seiner Zeit kühn und entschieden
entgegentrat. Von allen Seiten wurde Chladni angegriffen, ja, ein
Gelehrter ging so weit, zu sagen, wenn er einen solchen Stein zu seinen
Füßen hätte niederfallen sehen, so würde er erklären, er habe es
gesehen, aber er glaube es nicht; ein anderer rechnete Chladni wegen
seiner Ansicht über die Meteoriten „unter diejenigen, welche alle
Weltordnung leugnen und nicht bedenken, wie sehr sie an allem Bösen in
der moralischen Welt schuld sind"! Zum Glück brauchte Chladni nicht
lange auf die allgemeine Anerkennung seiner Lehre zu warten; zufällig
ereigneten sich kurz nach dem Erscheinen seines Werkes einige bedeutende
Meteoritenfälle in Europa, die von einer Menge von Zeugen beobachtet und
sorgfältig untersucht wurden; zuerst am 16, Juni 1794 in Siena, dann am
13, Dezember 1795 bei Woldcottage in Yorkshire, endlich am 26, April
1803 bei L'Aigle in der Normandie, und von da an war die Existenz von
Aerolithen keinem ernsthaften Zweifel mehr unterworfen.
Die Zahl, der mit voller Sicherheit beobachteten Meteoritenfälle ist
keine sehr bedeutende, sie mag etwa 1000 betragen, und man kann rechnen,
daß jetzt deren durchschnittlich drei in jedem Jahre aus Europa bekannt
werden. Es mag das auf den ersten Blick sehr wenig erscheinen, allein
wenn man bedenkt, wie klein Europa ist, und wie leicht ein Fall
unbemerkt bleibt, der in einer wenig bewohnten Gegend, in wildem
Hochgebirge, in ausgedehnten Wald-, Heide- und Sumpfstrecken oder
während stürmischer Nächte vor sich geht, so wird man zur Annahme
gelangen, daß die Zahl der jährlich auf der ganzen Erde ankommenden
Aerolithen keine so unbedeutende sein kann. Der Teil der Erde, welchen
wir bewohnen, bildet nur etwa 16/1000 ihrer ganzen Oberfläche; in
Europa selbst, kann man annehmen, entgehen mindestens zwei Drittel aller
Meteoritenfälle der Beobachtung, und auf Grund dieser Schätzungen
gelangt man zu dem Resultat, daß auf der ganzen Erde in einem Jahre
mindestens 600—700 Steinfälle stattfinden.
Ungeheuer ist die Geschwindigkeit, mit welcher die Meteore in unsere
Erdatmosphäre eintreten und dieselbe durchschneiden. Vielmal schneller
als der Schall, als die Kugel, welche aus dem Rohre der Kanone fliegt,
in vielen Fällen sogar erheblich rascher als die Bewegung der um die
Sonne kreisenden Planeten [*4] durcheilen sie den Raum, Entfernungen von
mehreren Meilen in einer Sekunde zurücklegend.
Aber bald erlahmt in der Nähe der Erde dieser Flug; der Widerstand der
Luft stellt sich dem Aerolithen entgegen, zehrt rasch dessen Antrieb auf
und macht seine Geschwindigkeit stationär, so daß er mit nicht sehr
großer Beschleunigung den Boden erreicht. Die mechanische Wirkung des
Falles aus den Boden ist infolgedessen keine sehr beträchtliche; nur
einige sehr schwere Massen wühlen sich wenige Fuß tief in die Erde,
meist dringen sie bloß ganz wenig ein, ja, bei dem Steinregen von
Pultusk, welcher nur ziemlich kleine Trümmer lieferte, waren diese nicht
imstande, die gefrorene Erdschicht, ja sogar nicht einmal das Eis des
Flusses Narew zu durchschlagen.
Die riesige Schnelligkeit des Meteors und der damit proportionale
Luftwiderstand geben uns den Schlüssel für die Erklärung verschiedener
Erscheinungen. Bei der Hemmung der kosmischen Geschwindigkeit durch die
Atmosphäre wird eine große Menge lebendiger straft vernichtet und in
Wärme umgewandelt. Der Meteorit und die Luft vor demselben werden
erhitzt, und indem die letztere nach dem fast leeren Raume hinter dem
Steine abfließt, umgibt sie diesen mit einer Glutatmosphäre, in welcher
er äußerlich zu schmelzen und zu leuchten beginnt.
Am Ende der Bahn erfolgt zumeist eine heftige Detonation, deren Ursache
man bisher meistens darin gesucht hat, daß in den luftleeren Raum hinter
dem Steine im Augenblick der Hemmung plötzlich Luft eindringt. Da aber
die Abnahme der Geschwindigkeit in den letzten Stadien der Bahn eine
ziemlich allmähliche sein muß, und vollends von einem Stillstand des
Meteoriten bei der Hemmung keine Rede sein kann, so ist auch ein
plötzliches Eindringen der Luft in den Raum hinter dem Steine und die
Bildung einer überaus heftigen Schallwelle nicht möglich. Eine viel
befriedigendere Erklärung hat kürzlich B. Doß, gestützt aus gewisse
Untersuchungen von E. Mach, gegeben. Wird ein Projektil abgeschossen, so
schiebt es nach Mach eine Stirnwelle so lange vor sich hin, bis seine
Geschwindigkeit kleiner ist als die normale Schallgeschwindigkeit. In
diesem Augenblick eilt die früher stationäre Stirnwelle dem Geschoß
voraus, und ihre akustische Wirkung besteht in einem Knalle. B. Doß
erblickt nun in der Detonation am Schluß der Meteoritenbahn die
Schallwirkung der Kopfwelle, welche der Meteorit auf seinem Laufe durch
das irdische Luftmeer bilden muß. Die übrigen sausenden, knatternden und
dumpf rollenden Geräusche entstehen teils durch die Fallbewegung, teils
durch gewisse Schwingungen, welche der wie ein Pfeil mit dem Schwerpunkt
vorausfliegende Meteorit deshalb ausführen muß, weil sein Schwerpunkt
nicht mit dem Mittelpunkt zusammenfällt. Unter diesen Erscheinungen
erreicht der Fremdling aus den fernen Himmelsräumen den irdischen Boden.
Betrachten wir den merkwürdigen Ankömmling näher, so finden wir, daß
seine Oberfläche mit einer schwarzen, glasigen Schmelzkruste von sehr
geringer Dicke überzogen ist. Deutlich kann man oft an der strahligen
Bildung dieser Rinde und an der Art und Weise, wie dieselbe bisweilen zu
sogenannten Schmelzwülsten angeordnet ist, erkennen, wie der
geschmolzene Teil von: stürmischen Luftzugs nach rückwärts geblasen
wurde, und kann daraus die Brust, d. h. diejenige Seite des Meteoriten,
welche beim Fluge nach vorn gerichtet war, bestimmen. Insbesondere ist
dies der Fall bei einem Meteoriten von Stannern in Mähren, welcher als
eine „Leitform" klassisch geworden ist; das Exemplar wird im
Hofmineralienkabinett zu Wien aufbewahrt und findet sich auf den
beistehenden vier verschiedenen Ansichten (vgl. unten und S. 97) in
natürlicher Größe abgebildet. Daß die Schmelzkruste eine dünne ist und
sein muß, ist sehr begreiflich, denn wenn auch größere Mengen der
Substanz durch die Hitze flüssig werden, so können sie doch nicht an dem
Steine bleiben, sondern werden, von dem gewaltigen Luftstrome zerstäubt,
Zurückbleiben und so den leuchtenden Schweif des Meteors bilden helfen.
Wo Sprünge in dem Steine vorhanden sind, wird die geschmolzene Masse in
diese hineingepreßt, so daß man oft, wie z. B. an dem auf der
beigehefteten Tafel „Meteoriten" abgebildeten Meteoriten von Kakova,
mitten im Inneren der Masse Adern der schwarzen Glassubstanz findet.
Abb. 73: Meteorit von Stannern - Neumayr & Uhlig
Eine andere Eigentümlichkeit, die bei sehr vielen Aerolithen auftritt,
ist die, daß ihre Oberfläche zahlreiche Vertiefungen, „Näpfchen", zeigt,
die oft Fingereindrücken gleichen und bald größer, bald kleiner sind;
Daubree in Paris hat durch zahlreiche Experimente gezeigt, daß ganz
übereinstimmende Gruben durch Einwirkung komprimierter Gase auf feste
Körper bei Explosionen von Dynamit, Schießpulver, Schießbaumwolle etc.
entstehen, und so darf man wohl annehmen, daß auch bei den Meteoriten
die zusammengepreßte glühende Luft Stücke herausgesprengt hat, die, zu
Staub zertrümmert, ebenfalls im Schweife zurückgeblieben sind. Besonders
jene Teile der Meteoriten, welche an dem nach Brezina weniger
widerstandsfähigen Troilit reich sind, werden zu tiefen Aushöhlungen, ja
selbst Durchbohrungen Anlaß geben. Auch die ungleiche Spannung infolge
der plötzlichen Erhitzung der Oberfläche kann, wie V. Goldschmidt jüngst
gezeigt hat, das Absprengen flach kugeliger Schalenteile und die Bildung
der „Daumeneindrücke" verursachen, nach Art des Vorgangs, welchen wir
bei den Wüstensteinen beobachten. Auch bei diesen werden durch die
plötzliche Abkühlung oder Erhitzung bei heißem, beziehungsweise kaltem
Inneren Schalenteile abgestoßen und ganz ähnliche Daumeneindrücke
geschaffen.
Die Zahl der Steine eines Falles ist sehr verschieden; sehr oft findet
man deren nur einen, oft aber mehrere, mitunter sogar sehr viele. Ter
Steinregen von Stannern in Mähren ergab einige Hundert, der von L´Aigle
in der Normandie etwa 3000 Stück, welche über einen ovalen Raum von 12
km Längendurchmesser verstreut waren; der Fall von Knyahinya in Ungarn
im Jahre 1866 blieb hinter dem von L'Aigle nur wenig zurück, während
derjenige von Pultusk in Polen, vom 30. Januar 1868, alle anderen, die
wir näher kennen, übertrifft.
Es drängt sich nun die Frage auf, in welchem Zustande diese zahlreichen
Stücke zu uns kommen, ob sie nur eine Waffe bildeten, die in der
Atmosphäre zersprang, oder ob sie schon als Meteorschwarm in unsere
Atmosphäre gelangten. Liegen Stücke vor, die nicht allseitig überrindet
sind, sondern frische oder nur mit einem Hauch von Schmelzrinde
überzogene Bruchflächen zeigen, so kann man mit Sicherheit annehmen, daß
sie während des Niederstürzens und Ausfallens zertrümmert worden seien;
anders verhält es sich dagegen bei den „ganzen" Steinen, d. h. bei
denjenigen, welche rings ihre schwarze Kruste zeigen. Diese müssen schon
als selbständige Körper in die Atmosphäre eingetreten sein.
[Hier
weiterlesen]
[*1]: Der älteste Meteorit bekannten Datums, von
welchem noch Stücke ausbewahrt werden.
[*3]: Über den Ursprung der von Palles entdeckten Eisemnasse und einige
damit in Verbindung stehende Naturerscheinungen, von E. F. F. Chladni,"
Riga und Leipzig 1794.
[*4]: Der Meteorit von Pultusk legte in der Atmosphäre, die doch durch
ihren Widerstand seine Geschwindigkeit verzögern mußte, etwa 7,25 Meilen
in der Sekunde zurück, während Merkur, der schnellste unter den
Planeten, sich in derselben Zeit nur 6,41 Meilen fortbewegt.
Geschichte der Geowissenschaften
Allgemeine Geologie
Das Universum und Sonnensystem
Olbersches Paradox (Petzholdt, 1840)
Sonnensystems (Petzholdt, 1840)
Die Sonne (Walther, 1908)
Exzentrizität Erdumlaufbahn (Kayser,
1912)
Hemisphären des Mars (Neumayer, 1897)
Mond-Karte (Schoedler, 1863)
Ringberg, Mond-Krater (Walther,
1908)
Ringkrater,
ebenen Mond (Walther 1908)
Schnitt durch Mondkrater (Kayser 1912)
Oberfläche Mondes (Kayser, 1912)
Meteorit im Anschliff (Fritsch, 1888)
●
Pallasit, Meteorit (Neumayr & Uhlig, 1897)
Meteorit von Kakova (Neumayr, 1897)
Meteorit (Walther, 1908)
Meteorit, Chondrit (Kayser, 1912)
Meteorit, beidseitig (Kayser, 1912)
Widmanstätten´sche Linien (Kayser,
1912)
Moldavite (Kayser, 1912)
Biografien
der Autoren
M.Neumayr
/ V.Uhlig (1897)
Neumayr & Uhlig (1897) in der OCR-Version, korrigiert mit Anmerkungen im
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Chemie des Universums
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