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Geschichte der Geowissenschaften

E. Kayser (1912): Die geologische Zeitbestimmung

Historische Arbeiten

W. Griem, 2020

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Foto/Scan - Digital bearbeitet: (W. Griem, 2019); Aus: E. Kayser (1912): Fig. 17. Schematische Darstellung des ruckweisen jährlichen Rückzuges des letzten skandinavischen Landeises und der Bildung der tonigen „Jahresschichten“ an seinem Rande. Nach DE GEER. A, B, C stellen 3 aufeinanderfolgende Winterlagen des Eises dar, a, b, c 3 nacheinander entstandene Jahresschichten. Seite 63. Original-Größe der Abbildung: 6 cm x 13 cm.

Figura 17: Original nach Gerad Jacob DE GEER (1858 - 1943), schwedischer Geologe, wichtige Forschungen über die Warven und die Existenz jahreszeitlicher Schichtungen.

Zitate:

*1) Handbuch d. theoret. Physik. Bd. I. 2. Teil, S. 441.

* 2) R. J. STRUTT, On the distribution of radium in the earth’s crust and on the earth’s internal heat. Proc. Roy. Soc. A. 77, 1906 ; 78, 1907. — F. v. WOLFF, Z. d. d. geol. Ges. 1908, S. 440 ff. — KÖNIGSBERGER, Phys. Zeitschr. VII, 290, 1906. — Vgl. auch J. JOLY, Radioactivity and geology, London 1907, und G. F. BECKER, Relations of radioact. to cosmogeny and geology. Bull., geol. soc. Amer. .l9, 113, 1908.

*3) Transact. roy. soc. Edinburgh 1862. — Vgl. auch Derselbe, The age of the earth as an abode fitted for life. Transact. Victoria Inst. 1897. Vgl. auch THOMSON U. TAIT, „Natural Philosophy“ p. II, 468.

*4 ) JOH. KÖNIGSBERGER, Berechnung des Erdalters auf physikalischer Grundlage. Geol. Rundschau I, 241, 1910.

*5) Qu. Joum. geol. soc. Lond. 65, p. CXII, 1909.

*6) The age of the earth. Smithson. misc. collect. 56, 6, 1910.

*7) Vierteljahrsschr. d. naturf. Ges. Zürich, Bd. XXXIX, 1894.

8*) Die Alpen im Eiszeitalter III, S. 1169, 1909.

9*) Geolog. Förening. Förhandl. 30, 457, 1909. — Vgl. auch L. v. POST, En exakt geologisk tideräkning. Popul. naturvetensk. revy I, 11, 1911.

10* ) Siehe, KÖNIGSBERGER, Geol. Rundschau I, 245, 1910.

11* ) Proceed. Roy. Soc. (A.) 84, 379, 1910. — Helium findet sich fast in allen irdischen Mineralstoffen und tritt, wo sein Gehalt besonders hoch ist, in Begleitung von Thorium auf, aus dem es durch radioaktive Vorgänge entstanden ist.

Kayser, E. (1912): Lehrbuch der Geologie. - All­gemeine Geologie; 4.Auflage, mit 881 Seiten; 611 Ab­bil­dungen; Verlag Fer­dinand Enke, Stuttgart. [Sammlung W. Griem]

Die Abbildungen wurden mit einem HP Scanjet G3110 mit 600dpi eingescannt, danach mit Corel Draw - Photo Paint (v. 19) digital bearbeitet. Speziell Filter der Grau­stufen­verbesserung, Elimination von Flecken sowie Ver­besserung der Schärfe wurden bei der Bild­bearbeitung angewandt (W. Griem 2020).

Die Texte wurden mit einer Pentax Kr-3 II digi­talisiert und später mit ABBYY (v.14) verarbeitet und zur OCR vorbereitet. Fraktur­schriften wurden mit ABBYY Fine Reader Online in ASCII um­gewandelt; "normale" Schrift­arten mit ABBYY Fine Reader Version 14.
Die Texte wurden den heutigen Recht­schreib­regeln teilweise angepasst, es wurden erläuternde und orien­tierende Zeilen eingefügt (W. Griem, 2020).


Warven nach De Geer aus Kayser, 1912

Informationen
Fig. 17. Schematische Darstellung des ruckweisen jährlichen Rückzuges des letzten skandinavischen Landeises und der Bildung der tonigen „Jahresschichten“ an seinem Rande. Nach DE GEER. A, B, C stellen 3 aufeinanderfolgende Winterlagen des Eises dar, a, b, c 3 nacheinander entstandene Jahresschichten.

Kayser (1912) veröffentlichte eine Beschreibung der möglichen geologischen Zeitabschätzungen der Erde und deren Gesteine. Hier in diesem Text von 1912 werden die "alten" Methoden schon als sehr unverlässlich oder gar als "falsch"  Beschrieben. Die Entdeckung der Radioaktivität und die He - U Methode kamen zu wesentlichen längeren Zeiträumen.

Die älteren Methoden:
a) Durch Abkühlung-Geschwindigkeit der Erde [100 Millionen Jahre Erdalter]
b) Durch den Salzgehalt der Ozeane [50 - 150 Millionen Jahre Erdalter]
c) Warven oder Jahresschichtungen
d) Rückschreiten der Wasserfälle (Niagara)
e) Delta-Sedimente hochgerechnet
 
Die Neueren, hier um 1912 beschriebenen Methoden:
a) Helium - Uran Zerfall

Original Text von Kayser p. 61 - 64

Zeitrechnungen


Die oben erwähnten großen Schwankungen des Wertes der geothermischen Tiefenstufe haben bei manchen Forschern die Vorstellung erweckt, daß der ursprüngliche Wärmevorrat des Erdkörpers nicht die einzige Quelle für die Wärme des Erdinnern sei. Nachdem man nun das Radium und die radioaktiven Stoffe entdeckt und erkannt hatte, welch gewaltige Wärmemengen beim Zerfall dieser Stoffe frei werden, lag es nahe, in jenen radioaktiven Vorgängen eine weitere Ursache für die Erwärmung der Erde zu suchen.

Dieser Gedanke war umso bestechender, als radioaktive Stoffe nicht nur im Erdboden — sie sind hier besonders an kieselsäurereiche Eruptivgesteine gebunden, fehlen aber auch den kieselsäurearmen und den Sedimentgesteinen keineswegs —, sondern auch im Wasser (besonders in warmen Quellen) und in der Luft als sehr verbreitet erkannt wurden *2). Es erscheint zwar zurzeit noch zweifelhaft,, ob der Gehalt der Erdkruste an radioaktiven Stoffen — nach STRUTT U. a. wären diese Stoffe nicht gleichmäßig durch die ganze Erdmasse verteilt, sondern an deren Oberflächenschale gebunden, während der Erdkern radiumfrei wäre — ausreicht, um die Temperaturverhältnisse der Erde wesentlich zu beeinflussen; nichtsdestoweniger dürfte es außer Frage stehen, daß der Abkühlungsvorgang sowohl der Erde als auch der Sonne und anderer Weltkörper durch die darin enthaltenen radioaktiven Stoffe und deren Wärmeentwicklung eine ganz erhebliche Verzögerung erfahren hat. Wenn daher seinerzeit W. THOMSON (Lord KELVIN) *3), das Alter der Erde (unter Annahme einer Anfangstemperatur des Erdballes von 3900 °C.) auf rund 100 Millionen Jahre berechnet hat, so sind die Physiker jetzt darin einig, diese Zahl als viel zu gering zu betrachten.


Geologische Zeitrechnung.

Der soeben erwähnte Versuch Lord KELVINS, das Alter der Erde aus der zu ihrer Abkühlung erforderlichen Zeit zu berechnen, ist später mehrfach wiederholt worden, so von 0. FISHER, G. H. DARWIN, CL. KING, G. F. BECKER U. a. Es wurde aber bereits hervorgehoben, daß schon die ungeheure, durch radioaktive Vorgänge erzeugte Wärmemenge eine beträchtliche Verlangsamung des Abkühlungsvorganges zur Folge gehabt haben muß *4). Die Schätzung des Erdalters auf dieser Grundlage muß daher als sehr unsicher betrachtet werden.

Nicht besser steht es mit dem zuerst von J. JOLY gemachten Versuch, das Alter der Erde aus der Menge des im Meere enthaltenen Kochsalzes zu ermitteln. JOLY berechnete auf diesem Wege zuerst 80—90, später 100;   W. J. SOLLAS *5) 80—150, G. F. BECKER *6) 50—70 Millionen Jahre. Die dabei gemachte Annahme, daß der Salzgehalt der Ozeane kein ursprünglicher sei, sondern der Verwitterung der festländischen Gesteine bzw. vulkanischen Aushauchungen entstamme, erscheint indes gänzlich unerwiesen.

Auch die mannigfachen Versuche, aus geologischen Tatsachen die Dauer einzelner Zeiträume abzuleiten, haben im Allgemeinen keine sehr befriedigenden Ergebnisse geliefert.

In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich dabei um ganz junge geologische Zeitabschnitte. So hat man z. B. versucht, aus der Erhöhung des Nil- und des Mississippi Deltas die zu deren Bildung erforderlich gewesene Zeit zu ermitteln. So hat man weiter in Nordamerika aus der Schnelligkeit des Rückschrittes der Niagarafälle Schlüsse auf die Dauer der seit der ersten Anlage jener Fälle, d.h. seit Ende der Eiszeit verflossenen Zeit gezogen. LYELL hat sie seinerzeit auf etwa 70 000, WOOD- WARD und GILBERT aber neuerdings nur auf 7000 Jahre veranschlagt. Für das Alpengebiet hat schon vor längerer Zeit ALB. HEIM aus den Schlammabsätzen unter- und oberhalb eines Moränenwalls im Vierwaldstätter See die Länge der Zeit seit der letzten Glazialzeit auf 10 000 bis 50 000, am wahrscheinlichsten 16 000 Jahre geschätzt ); und in ähnlicher Weise neuerdings A. PENCK   *8) aus der Mächtigkeit der Diluvialablagerungen und dem Betrage der Erosion die postglaziale Nachwürmzeit auf 20 000 Jahre, das ganze Eiszeitalter aber auf mehrere 100 000 Jahre.

Auch in Skandinavien hat man aus der Schnelligkeit der heutigen Erhebung des Landes und der Höhenlage der diluvialen Küstenterrassen die Dauer der uns vom Eiszeitalter trennenden Zeit zu berechnen versucht. Beachtenswert sind die neuesten Versuche von DE GEER *9), Zu ähnlichen Berechnungen die Schichtung des spätglazialen (der Yoldia-Zeit angehörigen) Eismeertones des schwedischen Flachlandes zu benutzen. Nach den schwedischen Geologen wurde dieser Ton am Rande des sich allmählich nach N zurückziehenden Landeises durch subglaziale Flüsse abgelagert; und zwar wäre nach DE GEER in jedem Sommerhalbjahr eine Tonlage entstanden. Da das Eis jeden Sommer um ein weiteres Stück zurückwich, so greift eine jede Tonschicht über die sie unterlagernde nach N hinweg: die „Jahresschichten“ liegen also „dachziegelartig-transgredierend“ übereinander (Fig. 17), und die ältesten, zuerst entstandenen treten nur im S von Schweden an die Oberfläche, während diese, je weiter nach N, von um so jüngeren  Schichten eingenommen wird. Aus der Gesamtzahl der Tonlagen (deren tiefste eine noch ganz arktische Fauna und Flora einschließen, während die jüngsten Lagen Reste eines viel wärmeren Klimas enthalten) läßt sich natürlich die Länge der Zeit berechnen, die zum Abschmelzen des Binneneises nötig war. DE GEER hat sie auf etwa 12. 000 Jahre berechnet.

Mag auch dieser neueste Versuch, die Länge eines geologischen Zeitabschnittes nach Jahren zu bestimmen, noch mit mancher Fehlerquelle behaftet sein — der Ungewißheit, ob nicht Schwankungen und Stillstände in der Eisbewegung ’eintraten, die Meeresströmungen eine Änderung erlitten usw. —, so scheint er doch auf erheblich sicherer Grundlage zu ruhen als seine Vorgänger.

Auch für ältere Abschnitte der Erdgeschichte hat man ähnliche Berechnungen ausgeführt. So hat CH. WALCOTT nach der Mächtigkeit der in Frage kommenden Sedimente die Länge der nachalgonkischen Zeit auf 27, die des Algonkiums auf 17 /2 Millionen Jahre veranschlagt und ARCH. GEIKIE die zur Bildung der gesamten Sedimentformationen erforderliche Zeit auf 100 Millionen Jahre geschätzt. SOLLAS hat für denselben Zeitraum     1900 nur 26%, 1909 aber 34—80 Millionen Jahre angenommen. Daß alle diese Schätzungen höchst unsicher sind, daß die ihnen zugrunde liegende Annahme, die in Betracht kommenden geologischen Vorgänge (Sedimentbildung, Denudation, säkulare Bodenbewegungen usw.) seien in ihrem Betrage ganze geologische Perioden hindurch unverändert geblieben, nicht nur unbewiesen, sondern auch ganz unwahrscheinlich ist, braucht kaum hervorgehoben zu werden.

Einen neuen vielversprechenden Weg zur Bestimmung des Alters der Gesteine, hat vor kurzem STRUTT eingeschlagen *10). Anknüpfend an den wichtigen Nachweis von RUTHERFORD, daß zur Bildung von 1- ccm Helium und 1 g Uranoxyd 11 Millionen Jahre erforderlich seien und daß damit die Möglichkeit gegeben sei, aus dem Heliumgehalt eines Minerals sein Alter zu ermitteln, hat STRUTT eine große Reihe von Mineralstoffen auf ihren Gehalt an diesem Elemente untersucht und daraus sehr bemerkenswerte Schlüsse auf ihr Alter abgeleitet *11).

Er kam dabei zu folgenden Ergebnissen:

Gesteine: Alter in Jahren

Nachtertiärer Sanidinit der Somma (Vesuv): weniger als 100 000.
Nachtertiäre Laven von Mayen (Laacherseegebiet): 1 Million.
Oligozäner Sphärosiderit, Rheinland: 8,4 Mill.
Eozäner Roteisenstein von Antrim, Schottland: 31 Mill.
Karbonischer Roteisenstein von Forest Dean, England: 150 Mill.
Unterdevonischer (?) Granit vom Ural: 200 Mill.
Verschiedene archäische Gesteine: 200—600 Mill.

Literatur:

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Publiziert: 27.10.2019 / Aktualisiert: 27.10.2019, 5.7.2020
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