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Geschichte der Geowissenschaften: Geologie

F. Siegmund (1877): Gletscher und Moräne

Historische Arbeiten

W. Griem 2007 - 2020

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F. Siegmund (1877): Gletscher und Moräne

Siegmund (1877) veröffentlichte ein Bild eines Gletschers mit einer Moräne. Er Unterscheidet Gletscher 1. 2. und 3. Orden - geordnet nach ihrer Größe.

Foto/Scan - Digital Bearbeitet: (W. Griem, 2019); aus: Siegmund, F. (1877): Untergegangene Welten - Eine populäre Darstellung der Geschichte der Schöpfung und der Wunder der Vorwelt. Abbildung 16: Gletscher und Moräne, Seite 57 - Original-Dimension: 11 cm X 5 cm.

Siegmund, F. (1877): Untergegangene Welten - Eine populäre Darstellung der Geschichte der Schöpfung und der Wunder der Vorwelt. -  836 Seiten,  288 Abbildungen und eine Karte; Verlag A. Hartlebens, Wien, Pest, Leipzig.
[Sammlung W. Griem]
Siegmund: Die Erde Bau und Bildung [Korrigiert, OCR Version]

Die Abbildungen wurden mit einem HP Scanjet G3110 mit 600dpi eingescannt, danach mit Corel Draw - Photo Paint (v. 19) digital bearbeitet. Speziell Filter der Grau­stufenverbesserung, Elimination von Flecken sowie Ver­besserung der Schärfe wurden bei der Bildbearbeitung angewandt (W. Griem 2020).

Die Texte wurden mit einer Pentax Kr-3 II digi­talisiert und später mit ABBYY (v.14) ver­arbeitet und zur OCR vor­bereitet. Fraktur­schriften wurden mit ABBYY Fine Reader Online in ASCII umge­wandelt; "normale" Schrift­arten mit ABBYY Fine Reader Version 14.
Die Texte wurden den heutigen Recht­schreib­regeln teil­weise ange­passt, es wurden erläuternde und orien­tierende Zeilen ein­gefügt (W. Griem, 2020).

Original Text von Siegmund, 1877;
p. 56
[vorheriger Text - mechanische Wirkung des Wassers]

Eis und Gletscher.
Die Mitwirkung des Eises auf die Gestaltung der Erdoberflächen-Verhältnisse hat sich der Natur der Sache nach weniger durch Wassereis, als durch die größeren Ansammlungen von Landeis, welche man als Gletscher bezeichnet, geltend machen können.

Gletscher (Fig. 16) sind Eisströme, welche den Firnschneefeldern entspringen und sich in langsamem Flusse talabwärts bewegen. Ihr Material besteht aus festen, harten Eiskörnern, welche zu einer kompakten Masse verschmolzen sind. Letztere ist nach allen Richtungen von außerordentlich seinen, sich netzförmig kreuzenden und verzweigenden Haarspalten durchzogen. Das Gletschereis entsteht aus Zusammenschmelzen des Firneises, dieses durch Abschmelzen der Firnschneekristalle zu runden, losen oder durch Eis-Zement verkitteten Körnern. Die Heimat des Firnschnees sind die höchsten Partien des Hochgebirges, so wie das Innere des polaren Festlandes, wo er sich als Niederschlag der atmosphärischen Feuchtigkeit bildet. In geringeren Höhen und in polaren Gegenden, in größerer Nähe des Meeres, bildet er sich zu Firneis und in noch tieferen Niveau zu Gletschereis um. Die Firnschneefelder sind demnach die Eisreservoirs, aus denen die Gletscher entspringen und ernährt werden, so daß sich Gletscher und Schneefelder zueinander verhalten, wie ein Fluß zu dem See, welchem er Abfluß verschafft. Es bewegt sich also auch die Firnmasse fort und fort talabwärts, bis sie in oben angegebener Weise in Gletschereis umgewandelt wird und dann als solches die Bewegung fortsetzt.

Man unterscheidet diejenigen Gletscherströme, welche sich langgestreckt, und aus festem Eise bestehend, in Haupttäler tief hinabziehen, als Gletscher erster Ordnung oder primäre Gletscher von den weniger ausgedehnten, in kurzen hochgelegenen Mulden und Talrinnen oder auf steileren Felsabhängen liegenden, gewöhnlich nur aus mehr lockerem Eis bestehenden Gletschern der zweiten Ordnung oder sekundären Gletschern, welche kein Haupttal erreichen, und von den noch kleineren Hoch- oder Jochgletschern, welche von den höchsten Jochen niederhängen, ohne tief unter die Schneelinie zu reichen, und welche nur Spuren von Eisbildung zeigen. In Bezug auf die geographische Verbreitung hat man Hochgebirgsgletscher und Polargletscher unterschieden, wiewohl diese Unterscheidung nicht strenge durchführbar ist, indem viele Polargletscher, wie diejenigen von Grönland, auch zugleich Hochgebirgsgletscher sind.

Die Bewegung der Gletscher, ihr Abwärtsstießen, ist den Alpenbewohnern eine bekannte Tatsache, doch bedurfte es langer Untersuchungen, bis die Gesetze, welche sie regeln, genauer bekannt und ihre wahren Ursachen klargestellt werden konnten. Sie beruht im Wesentlichen auf zwei Momenten, erstlich einer wirklichen Plastizität des Eises, welche durch direkte Versuche nachgewiesen wurde. Eine Eisplatte oder ein Eisstab, nur an den beiden Enden unterstützt und an der Mitte beschwert, biegt sich allmählich nach abwärts, ganz in ähnlicher Weise wie eine Stange Siegellack. Die zweite für die Beweglichkeit noch wichtigere Eigentümlichkeit des Eises ist die Fähigkeit des sehr raschen Zusammenfrierens getrennter Teile, besonders wenn dieselben aneinander gepreßt werden, oder das von Tyndall sogenannte Phänomen der Regelation. Er zeigte durch Experimente, daß feuchte Eisflächen unter Druck sehr leicht zusammenfrieren. Er bog auf diese Weise eine Eisstange zu einem Ring und drückte einen Eiszylinder unter einer hydraulischen Presse zu einer Eisplatte, die radial laufende Spalten und Risse zeigte, zusammen. Bei den Gletschern, wo das zwischen dem zusammengepreßten Eise befindliche Wasser auf Spalten entweichen kann, gestaltet sich die Regelation folgendermaßen: Es wird das Eis gepreßt, aber nicht das Wasser, welches ausweicht. Das gepreßte Eis wird dann kälter, entsprechend dem Druck, aber die Temperatur des Wassers, welches nicht zusammengepreßt wird, wird nicht erniedrigt. So haben wir unten diesen Umständen Eis kälter als 0° in Berührung mit Wasser von der Temperatur von 0". Die Folge davon wird sein, daß fortdauernd rings um das Eis Wasser gefriert und neues Eis sich bildet, während dafür ein Teil des gepreßten Eises fortschmilzt. So werden zwei Eisstücke unter Druck durch das an ihrer Berührungsfläche gefrierende Wasser fest miteinander vereinigt werden. Das ist die Erklärung für das von Faraday zuerst entdeckte und von Tyndall auf die Gletscher angewandte Phänomen der Regelation des Eises, wie sie Helmholtz gegeben hat.

Die Schnelligkeit, mit welcher die Gletscher vorrücken oder abwärts fließen, hängt von sehr verschiedenen Umständen ab ; so ist sie im Sommer stets größer als im Winter, auf steiler geneigter Unterlage größer als bei sanfter Abdachung des Talbodens, bei größeren Gletschern in der Regel bedeutender als bei kleineren; unter mittleren Verhältnissen beträgt sie durchschnittlich 20—25cm im Laufe von 24 Stunden, steigt aber unter besonders günstigen Verhältnissen bis über 1m. Aber auch in einem und demselben Gletscherstrome zeigen sich erhebliche Unterschiede in der Schnelligkeit der Bewegung, und ebenso bringen Jahre, die sich durch geringere Sommerwärme, dann durch häufigere Niederschläge von Regen und Schnee auszeichnen, unmittelbar ein Wachsen der Gletscher, ein weiteres Vorrücken derselben in den Tälern hervor; in wärmeren und trockenen Jahren dagegen ziehen sich die Gletscher weiter zurück oder, richtiger gesagt, schmelzen bis weiter in das Thal hinauf ab. So wissen wir z. B., daß der Vernagtferner im Ötztale, der innerhalb der letzten 300 Jahre bereits dreimal in Perioden, die durchschnittlich um 84 Jahre auseinander liegen, seine Eismassen bis in das Rosenthal herunter vorschob, dieses absperrte und den Bach, der es durchfließt, zu einem See ausstaute, der dann endlich, seinen Damm durchbrechend, furchtbare Verwüstungen bis weit hinab ins Ötztal trug.

Früher, und zwar in der Eisperiode, hatten die Gletscher eine viel größere Verbreitung. Aus den Haupttälern der Alpen traten mächtige Eisströme in die Ebene; die einen füllten das weite Thal zwischen dem Jura und dem erstgenannten Gebirge vollständig, also bis zu 1350m Höhe aus; andere drangen über den Bodensee bis weit nach Bayern und Schwaben vor. Von den Südabhängen der Alpen stiegen Eismassen bis in die Po-Niederung hinab. Selbst Großbritannien und Skandinavien ähnelten in der Eiszeit in Bezug aus ihre Gletscherbedeckung und die Ausdehnung ihrer Gletscher bis zum Meeresspiegel dem heutigen Feuerland und Grönland.

Gletscherbewegungen:
Indem der Gletscher das meist von steilen Felswänden begrenzte Tal bis an seine Ränder vollständig ausfüllt, muß aller Gebirgsschutt, der entlang seines Laufes von diesen Wänden in Folge von Verwitterung und den dieselbe begleitenden Erscheinungen herabfällt, auf die Oberfläche des Gletschers gelangen und durch dessen Bewegung mit nach abwärts getragen werden. Die herabgefallenen Felstrümmer und Schuttmassen häufen sich natürlich zunächst an den beiden Seitenrändern, am Fuße der Wände, von denen sie herabgekommen sind, zu einem Haufwerke an, welches, zusammen mit dem Eise selbst, langsam talabwärts rückt, dabei aber immer wieder durch weiteren Nachfall ersetzt wird. Man nennt alle Haufwerke von Gesteinstrümmern, die unter der Mitwirkung der Gletscher sich bilden, - Moränen, und die in der eben geschilderten Weise entstehenden und sich fort- bewegenden, das Tal entlang an den Seiten des Gletschers sich erstreckenden Schutthalden werden demzufolge Seitenmoränen genannt. Eine sogenannte Mittelmoräne dagegen entsteht, wenn zwei aus zusammenmündenden Tälern herabkommende Gletscher zusammenfließen. Bei dieser Vereinigung muß natürlich auch die rechte Seitenmoräne des einen Zweiggletschers mit der linken des anderen Zusammenstößen, und indem die Bewegung nach abwärts weiter fortschreitet, bilden sie einen Damm auf der Mittellinie des vereinigten Gletschers. Alle derartigen Trümmer werden vom Gletscher talabwärts getragen bis an sein unteres Ende, wo sie endlich herabfallen und sich zu einem Haufwerke sammeln, welches einen mehr oder weniger vollständigen, das Tal verquerenden Damm bildet, der dann die Stirn oder Endmoräne heißt. Rückt der Gletscher im Tale vor, so schiebt er die Endmoräne vor sich her; zieht er sich durch Abschmelzung weiter zurück, so bleibt die Endmoräne als freistehender Damm, der das Tal von einem Rande zum anderen verquert und meist nur in der Mitte durch den Gletscherbach durchschnitten ist, zurück.

Transport - erratische Blöcke:
Noch eine besondere Art des Gesteinstransportes aber ergibt sich dann, wenn ein Gletscher, wie dies in den Polarregionen tatsächlich der Fall ist, unmittelbar in das Meer mündet. Die Eismassen, die mit Gesteinsblöcken und Moränenschutt beladen sind, werden hier von der Strömung erfaßt und in oft sehr entlegene Gegenden so lange fortbewegt, bis sie einschmelzen und ihre Last auf den Boden des Meeres, oder sind sie an einer Küste gestrandet, an dieser fallen lassen.

Ähnliche Wirkungen treten ein, wenn, wie dies namentlich am St. Lorenzostrome in Canada in großen! Maßstabe vorkommt, Gesteinsmasten auf Flußeis gelangen und mit diesem beim Eingänge weiter abwärts oder ins Meer hinaus transportiert werden. Man nennt derartige durch die Tragkraft des Eises von ihrer Heimatstätte entfernte Gesteinsblöcke Findlinge oder erratische Blöcke (Fig. 17). Manche derselben haben eine beträchtliche Größe; sie entschädigen diese Flachländer für den Mangel an Felsen. Baumaterialien vieler Art werden aus ihnen gewonnen; die große Granitschale vor dem Museum in Berlin ist aus einem solchen Block geschnitten, und der Schwedenstein auf dem Schlachtfelde bei Lützen verdient diesen Namen nicht bloß als Denkmal Gustav Adolfs, sondern auch seines skandinavischen Ursprunges wegen.

Siegmund: Die Erde Bau und Bildung [Korrigiert, OCR Version]



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Publiziert: 24.11.2019 / Aktualisiert: 24.11.2019, 19.9.2020
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