Geologie virtuell
www.geovirtual2.clHistorische Arbeiten
W. Griem, 2020
Das Buch von Neumayr & Uhlig beginnt mit einer kleinen Einführung in die noch jungen Geowissenschaften. Es werden die wissenschaftlichen Grundfragen, Ziele, Beobachtungen und Aufgabenbereiche der Geologie und eines Geologen diskutiert.
Foto/Scan - Digital Bearbeitet: (W.Griem, 2019); von: M.Neumayr / V.Uhlig (1897) "Die Drei Zinnen bei Schluderbach in Tirol."; Seite 12, Original Größe der Abbildung: 13 cm x 8 cm.
Neumayr, M. Uhlig, V. (1897): Erdgeschichte. -
Band 1: 692
Seiten, 378
Abbildungen; Band 2: 700 Seiten, 495 Abbildungen, Verlag Bibliographisches Institut,
Leipzig und Wien.
[Sammlung W. Griem]
Die Abbildungen wurden mit einem HP Scanjet G3110 mit 600dpi eingescannt, danach mit Corel Draw - Photo Paint (v. 19) digital bearbeitet. Speziell Filter der Graustufenverbesserung, Elimination von Flecken sowie Verbesserung der Schärfe wurden bei der Bildbearbeitung angewandt (W. Griem 2020).
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Die Texte wurden den heutigen Rechtschreibregeln teilweise angepasst, es
wurden erläuternde und orientierende Zeilen eingefügt (W.Griem, 2020).
Text von Neumayr & Uhlig, 1897:
Original Text, p. 1 - 14
Wesen und Inhalt der Geologie.
Anfänge in Freiberg bei Werner:
Vor etwa hundert Jahren erlebte die Bergakademie zu Freiberg in
Sachsen einen merkwürdigen Zudrang hervorragend begabter junger
Männer. Aus allen zivilisierten Ländern kamen sie herbeigeströmt, um die
Vorlesungen von Gottlob Abraham Werner über eine Wissenschaft zu
hören, die bis dahin noch auf keinem Lehrstuhl selbständig behandelt
worden war; er trug über die Gesteinsmassen vor, welche die Erdrinde
zusammensetzen, über ihre Beschaffenheit, ihre Bildung, Lagerung und
Aufeinanderfolge, über die Veränderungen, denen sie unterworfen sind,
mit Einem Worte über Geognosie nach dem damals, Geologie nach
dem heute allgemein verbreiteten Namen. Wohl hatten schon
früher manche bedeutende Männer denselben Gegenständen ihr Augenmerk
zugewendet, allein ihr Wirken blieb vereinzelt und wenig beachtet, wie
ihren Anschauungen meist entweder die sichere Grundlage der
Beobachtungen oder die Unterordnung der erkannten Tatsachen unter
einheitliche Gesichtspunkte fehlte. Erst Werner, dem Vater der Geologie,
sollte es gelingen, ein auf fester Grundlage ruhendes System zu
begründen und eine Schule zu bilden, die seinen Namen und seine Lehre so
weit verbreitete, als es Menschen gibt, die an der Entwickelung der
Naturforschung Anteil nehmen.
Geologie als Bergbaukunde:
Die neue Wissenschaft entwickelte sich in voller Abhängigkeit
von der Bergbaukunde und der Mineralogie, sie schien im Anfang
kaum mehr als ein Zweig dieser oder im günstigsten Falle eine einfache
Hilfswissenschaft ohne selbständige Daseinsberechtigung zu sein, und es
dauerte lange, bis diese Anschauung ganz überwunden, bis der Bann aller
Vorurteile gebrochen war, welche der Würdigung der neuen Richtung
entgegenstanden. Inzwischen entsprang aus der Geologie ein weiterer
Forschungszweig, der in gleicher Weise lange Zeit hindurch nur eine
untergeordnete Rolle spielte: die Lehre von den Pflanzen und Tieren,
welche in der Vorzeit die Erde bewohnt haben, die Paläontologie, für
deren Entwickelung Cuvier und Brongniart von derselben Bedeutung waren
wie Werner für die der Geologie.
In der kurzen Zeit ihres Bestehens haben beide Wissenschaften einen
ungemein raschen und glänzenden Aufschwung genommen und vermögen unter
ihren Vertretern eine Reihe der bedeutendsten Forscher dieses Zeitraumes
aufzuweisen. Fortwährend strömen neue Schätze an Tatsachen und
Beobachtungen aus allen Teilen der Erde zu, so daß deren Verständnis und
die Übersicht über sie kaum Schritt zu halten im Stande sind.
Die Geologie und Paläontologie:
Wie weit wir uns aber auch von den ersten Anfängen entfernt haben, und
wie bedeutend der Aufschwung auch ist, so hat dies doch an Einem
Verhältnis nichts geändert, an dem außerordentlich engen
Zusammenhang zwischen Geologie und Paläontologie, der so weit
geht, daß in der Mehrzahl der Fälle eine und dieselbe Person beide
Gebiete oder wenigstens Teile beider zu umfassen sucht. Es mag das
auffallend erscheinen, denn die Geologie behandelt die Gesteinsmassen
der Erde, also unorganische Gebilde, die Paläontologie beschäftigt sich
mit der Tier- und Pflanzenwelt der Vorzeit, mit Organismen, Lebewesen,
sie reiht sich demnach den biologischen Wissenschaften, zunächst der
Zoologie und Botanik, an. Wenn trotzdem die Verbindung zwischen Geologie
und Paläontologie eine überaus innige ist, so kann dies nicht durch
äußerliche Umstände bedingt sein, sondern muß seinen Grund im inneren
Wesen beider Wissenszweige haben. In der Tat verbindet beide ein
gemeinsamer Zug und stellt sie allen anderen beschreibenden
Naturwissenschaften gegenüber: die Geologie schildert uns nicht nur
Beschaffenheit und Lagerung der Massen, sondern auch ihre Entstehung,
ihre Aufeinanderfolge und die Veränderungen, denen sie unterworfen waren
und noch sind, und in derselben Weise lehrt uns die Paläontologie nicht
nur die Form und den Bau einer untergegangenen Lebewelt kennen, sondern
sie zeigt uns auch, wie in langen Zeiträumen nacheinander zahlreiche
verschiedene Faunen und Floren auf der Erdoberfläche gelebt haben, und
in welchem Zusammenhang dieselben untereinander und mit der jetzigen
Schöpfung stehen. Mit Einem Worte, wir sehen in ihnen die beiden
historischen Wissenschaften, welche bestimmt sind, die „Erdgeschichte"
zu schreiben, und in diesem gemeinsamen hohen Ziele liegt sowohl der
Grund für die innige Zusammengehörigkeit beider als auch ihre
außerordentliche Bedeutung für die gesamte Entwickelung der
Wissenschaft. Es ist der bezeichnende Grundzug der neueren Richtung der
Naturgeschichte, daß sie nicht mehr die reine Beschreibung als
Hauptaufgabe betrachtet, sondern die Entstehung der Naturkörper als
wichtigeren Gegenstand der Untersuchung neben jene gesetzt hat. Sie
forscht nicht nur, wie die Dinge sind, sondern wie sie geworden sind,
und bei dieser genetischen Richtung, diesem Drange zu historischer
Auffassung, der überall herrschend geworden ist, ergibt sich von selbst,
wie tief und maßgebend Geologie und Paläontologie in alle wichtigsten
Fragen eingreifen müssen, und daß die erstere ihre Aufgabe nur durch die
Unterstützung der letzteren vollständig zu lösen vermag.
Geologie und Astrophysik:
Keine gewaltigeren Erscheinungen, keine großartigeren Gegenstände der
Forschung, keine bedeutenderen Probleme bietet unsere Erde, als
diejenigen sind, welche den Geologen beschäftigten. In erster Linie
tritt an ihn die Frage nach den ersten Uranfängen heran, nach der
Entstehung unseres Planeten, nach den Vorgängen, welchen dieser seine
selbständige Existenz innerhalb des Sonnensystems
verdankt. Allerdings ist hier die rein geologische Methode nicht
ausreichend, um eine befriedigende Antwort zu geben; wir müssen uns
wesentlich auf die Ausschlüsse stützen, die uns von anderer Seite,
namentlich durch die Resultate der Astrophysik gegeben werden.
Die Lagerung der Gesteine:
Das eigenste Gebiet der Geologie betreten wir mit der Betrachtung der
Entstehung und Lagerung der Gesteine, d. h. der festen Massen, welche an
dem Aufbau der Erde im großen Anteil nehmen. In erster Linie finden wir
unter den Gesteinen zwei Haupttypen, die das Auge in der Natur bei
einiger Übung sehr rasch unterscheiden lernt: einerseits solche
Bildungen, die bald mehr, bald weniger deutlich durch parallele Klüfte
oder Fugen in Schichten oder Bänke gesondert sind, es sind die Flöz-,
Sediment- oder Absatzgesteine; anderseits jene Vorkommnisse, welche
keine derartige Absonderung in Lager aufzuweisen haben und daher als
massige Gesteine bezeichnet werden. Sehr klar tritt der Kontrast
zwischen beiden Formen in der auf S. 5 stehenden Landschaftsskizze
hervor, welche die Aussicht vom „Pic Abajo“ im Territorium Colorado der
Vereinigten Staaten darstellt; die gerundeten Kuppen des massigen
Trachyts heben sich scharf gegen die Tafellandschaft der geschichteten
Gesteine ab, und ans den ersten Blick erkennt man, daß hier zwei
grundverschiedene Elemente zum Aufbau der Landschaft beigetragen haben.
Entstehung der geschichteten Gesteine:
Wie die äußere Form und Anordnung, so ist auch die Entstehung der
geschichteten Gesteine eine ganz andere als die der massigen. Die
Bildung der ersteren sehen wir unter unseren Augen vor sich gehen, wenn
wir beobachten, wie das Wasser Geröll, Sand, Schlamm, Teile von
Organismen an seinem Boden absetzt oder in beschränkterem Maße gewisse
Bestandteile, wie Gips, Steinsalz etc.., aus chemischer Lösung
ausscheidet. Wo immer Wasser an der Erdoberfläche vorhanden ist, vor
allem im Meere, gehen diese Prozesse vor sich; in der Nähe der Küste
sehen wir besonders die Tone, Mergel, Sandsteine durch die Anhäufung von
Schlamm und Sand entstehen. Wo Schalen von Muscheln oder winzigen
Foraminiferen zur Ablagerung kommen oder die Korallentierchen ihre
gewaltigen Bauten aufführen (vgl. Abbildung, S. 6), da geht
Kalksteinbildung vor sich, und inan ist zu der Behauptung berechtigt,
das alle die größten und ausgebreiteten Kalkbildungen, die wir in
unseren Gebirgen sehen, lediglich der Tätigkeit von Organismen ihre
Entstehung verdanken. Ja, gerade die kleinsten unter diesen sind es,
welche die größten Wirkungen Hervorbringen: die winzigen Schälchen der
Foraminiferen, vor allen der Globigerinen (vergl. Abbildung, S. 7),
bedecken in unzähligen Mengen den Boden eines großen Teiles des offenen
Ozeans, und das in der Vorzeit dasselbe geschehen ist, bezeugt uns die
mikroskopische Untersuchung vieler Kalksteine.
Die magmatischen Gesteine:
War es das Wasser, das wir bei der Entstehung der Sedimente an der
Arbeit sahen, so ist es die Erstarrung aus geschmolzenem, heißem
Zustand, welche die Massengesteine liefert. Für die Bildung der Granite,
Porphyrs, Trachyte, Basalte und der zahlreichen verwandten Felsarten
finden wir in der Jetztzeit den einzigen analogen Vorgang in der
Tätigkeit der Feuerberge, welche aus dem heißen Inneren der Erde
geschmolzene Massen an die Oberfläche bringen, und deren Form uns in
Europa der Ätna in großartigster Weise zur Anschauung bringt (vgl.
Abbildung, S. 8). Die Form ihres Auftretens wie die Zusammensetzung der
vulkanischen Produkte geben uns den Schlüssel zum Verständnis für den
Ursprung jener Felsarten, welche in früheren Perioden der Erdgeschichte
durch dieselbe Tätigkeit, wenn auch teilweise unter wesentlich anderen
Bedingungen, als sie jetzt unmittelbar an der Oberfläche vorhanden sind,
gebildet wurden. Bald sind es alte Lavaergüsse, bald die Ausfüllungen
von Spalten, bald Massenausbrüche der Tiefe, denen wir im alten Gebirge
begegnen.
Die schwierigen, später als metamorphe Gesteine bezeichneten
kristallinen Schiefer:
Neben diesen beiden Typen tritt uns noch ein dritter entgegen, der
zwischen ihnen in gewissem Sinne eine Mittelstellung einnimmt: es sind
das die kristallinischen Schiefergesteine: Gneis, Glimmerschiefer und
ihre Verwandten, die sich durch das Vorhandensein von Schichtung an die
Sedimente, in ihrer Zusammensetzung an die Massengesteine anschließen,
und deren Bildungsgeschichte zu den schwierigsten und bestrittensten
Problemen der Geologie zählt.
Die Lagerungen zueinander und Störungen:
Diese verschiedenen Arten von Gesteinen sind es, welche an dem Aufbau
der Erdrinde teilnehmen; allein wenn wir ihr Vorkommen ins Auge fassen,
so wird es sofort klar, dass sie sich zum großen Teil nicht mehr in
jener Lage befinden, die sie ursprünglich Annahmen, sondern das in
dieser Richtung die gewaltigsten Veränderungen vor sich gegangen sind.
Aufs deutlichste tritt dies bei den Absatzgesteinen hervor, welche sich
der ungeheuer überwiegenden Mehrzahl nach, entsprechend der
vorherrschenden Form des Bodens im Meere und in allen größeren Seen,
ursprünglich in vollständig oder nahezu waagerechten Bänken abgelagert
haben. Nun ist es aber eine bekannte Tatsache, das über weite Strecken
der Erdoberfläche hin die Schichten sich nicht mehr in dieser
ursprünglichen Lage befinden, sondern unter einem größeren oder
kleineren Winkel geneigt (vgl. Abbildung, S. 11), ja senkrecht
aufgestellt oder in der mannigfaltigsten Weise geknickt und gebogen sind
(vgl. Abbildung, S. 10). Es müssen also hier spätere Massenbewegungen
stattgefunden haben, durch welche die Störung und Aufrichtung der
Ablagerung hervorgebracht wurde, und die inan jetzt in der Regel als die
Folgen der Zusammenziehung der Erde bei ihrer Abkühlung betrachtet.
Solche Störungen im normalen Schichtenbau treten meist nicht vereinzelt
an einem Punkte oder auf einer kleinen Strecke auf, sondern man findet,
das die „gebirgsbildenden Kräfte" sich der Hauptsache nach gleichartig
über weite Landstrecken geltend gemacht und so die Entstehung von
Gebirgssystemen einheitlichen Baues veranlasst haben, in denen sich,
abgesehen von lokalen Nebenerscheinungen, übereinstimmende Anordnung der
den Aufbau beherrschenden, der „tektonischen" Linien verfolgen lässt.
Geotektonik, Typen der Gebirge:
Es ergibt sich dabei ein Unterschied zwischen zweierlei wenigstens in
ihren Extremen sehr weit voneinander abweichenden Arten von Gebirgen,
den Kettengebirgen und den Massengebirgen. Die ersteren, zu welchen
Alpen, Karpaten, Apenninen, Pyrenäen, Kaukasus, Himalaja, die Anden
gehören, lassen schon in ihrer äußeren Erscheinung die lineare
Gruppierung deutlich hervortreten: die Längserstreckung überwiegt die
Breite, und im Einzelnen ordnen sich die Höhen zu langgestreckten Ketten
an, in der Regel mit scharf hervortretenden Kämmen (vgl. Abbildung, S.
9). Alle deutlich ausgesprochenen Glieder dieser Gruppe scheinen
geologisch jung zu sein, d. h. die Aufrichtungsbewegung in denselben
reicht bis in verhältnismäßig späte Perioden der Erdgeschichte hinein,
und dies ist auch der Grund, warum wir hier gerade die bedeutendste
Gipfelentwickelung finden, indem die zerstörenden Kräfte noch nicht Zeit
gefunden haben, diese luftigen Zinnen wieder abzutragen.
Im Gegensatz dazu zeigen die Massengebirge, wie der Böhmerwald, der
Schwarzwald, die Vogesen etc., weder durch deutlich ausgesprochene
Längserstreckung noch durch scharf hervortretende Ketten in klarer Weife
äußerlich eine lineare Anordnung, wenn dieselbe auch in der Lagerung der
Schichten, also in der inneren Gruppierung der Gesteine deutlich
ausgesprochen ist. Niedrigere Gipfel mit meist abgerundeten, sanften
Formen gesellen sich zu diesen Charakteren, mit denen hohes geologisches
Alter Hand in Hand geht, denn lange geologische Zeiträume sind
verflossen, seitdem die Aufrichtung erfolgte; wir sehen in ihnen nur
noch die Überbleibsel, die Ruinen ehemaliger bedeutenderer Entwickelung.
Als eine andere Äußerung derselben Kräfte, welche die Aufrichtung der
Gebirge bewirken, finden wir die Bildung von Spalten, welche in die
Tiefe reichen, die sogenannten Verwerfungen oder Bruchlinien, an welchen
eine Verschiebung der zu beiden Seiten vorhandenen Massen stattfindet.
Bald ist die Ausdehnung der Spalten und der Betrag der an ihnen
stattfindenden Bewegungen sehr gering, bald lassen sich gewaltige Brüche
über weite Strecken verfolgen und sind große Schollen der Erdrinde an
denselben in die Tiefe gesunken, an deren Stelle das Meer getreten ist;
so ist es z. B. wahrscheinlich, aß das ganze Rote Meer die Stelle eines
solchen Senkungsfeldes einnimmt.
Als Gefolgeerscheinungen dieser Vorgänge, sowohl der Ausrichtung der
Gebirge als der Senkungen an Bruchlinien, finden wir die Erdbeben und
Vulkane, welche sich in ihrem Auftreten an die großen tektonischen
Linien aufs innigste anschließen. Aus den Vulkanen tritt geschmolzenes
Gestein, die Lava, ferner sein zerstäubtes Material, die sogenannte
Asche, an die Oberfläche, und durch die Anhäufung dieser Ausbruchstoffe
türmen sich kegelförmige Berge empor, oft von gewaltiger Höhe, die aber
trotzdem ihre hervorragende Gestalt keiner Aufrichtung oder Hebung,
sondern lediglich der Aufschüttung verdanken. Wohl können durch das
gesellige Auftreten von Vulkanen auch Berggruppen, die sogenannten
Kuppengebirge, entstehen (vgl. die Abbildung links), doch sind diese
ihrem ganzen Wesen und Ursprung nach von den durch Ausrichtung und
Faltung der Erdrinde gebildeten Massen- und Kettengebirgen vollständig
verschieden.
Fragen der Geomorphologie:
So gewaltige Erscheinungen aber auch die Aufrichtung eines großen
Kettengebirges, das Absinken einer Scholle der Erdrinde an einer
Bruchlinie sein mögen, so müssen doch selbst diese Vorgänge ihrer
Bedeutung nach in die zweite Linie zurücktreten, wenn wir sie
vergleichen mit den großen Hauptzügen der Oberflächengestaltung unserer
Erde, mit den großen Festlandsmassen und Meeresbecken, deren Entstehung
noch heute sehr schwierig zu erklären ist. Es stehen sich hier zwei
Richtungen unter den Geologen gegenüber, von denen die eine annimmt,
dass die Verteilung von Festländern und Meeren in der geologischen
Geschichte den größten und weitgehendsten Veränderungen unterworfen
gewesen sei, während die andere der Ansicht ist, dass trotz aller
Umgestaltungen im Einzelnen doch die großen Hauptzüge in der Verteilung
von Festem und Flüssigem seit uralten Zeiten eine gewisse Beständigkeit
zeigen. Mit diesen Problemen steht die Frage in Zusammenhang, ob ganze
Kontinente langsamen vertikalen Hebungen und Senkungen unterworfen sind,
oder ob die Erscheinungen, aus welchen man auf diese Vorgänge
geschlossen hat, z. B. das Auftreten alter Strandlinien hoch über dem
jetzigen Meeresniveau, lediglich Veränderungen im Stande des Wassers
zugeschrieben werden müssen.
Das Wasser in der Geologie:
Ein ganz anderes Gebiet der geologischen Vorgänge betreten wir, wenn wir
die Wirksamkeit des Wassers auf der Erdoberfläche ins Auge fassen. Seine
Tätigkeit ist hier vor allem eine zerstörende; unterstützt vom
Temperaturwechsel und namentlich vom Froste, arbeitet es unablässig an
der mechanischen Zerkleinerung und Zerstörung der Felsmassen. Durch
seine eigene auflösende Kraft, noch mehr aber mit Hilfe der Kohlensäure,
welche es absorbiert enthält, wirkt es chemisch auf die Gesteine und
bewirkt deren Verwitterung; jeder Regentropfen, der auf festes Land
fällt, ist hier tätig, jede unterirdisch sickernde Wasserader, jeder
Bach und Strom so gut, ja sogar in ihrer Gesamtheit noch weit intensiver
als die Brandung, welche donnernd an die Küsten schlägt und deren
Steilwände unterwäscht und zerstört. Diese „Erosion" (Ausnagung) oder
„Denudation" (Entblößung) ist eine der wichtigsten und bedeutsamste»
geologischen Triebkräfte; kein Gestein, so hart es sei, widersteht ihr,
kein Gebirge vermag ihr zu trotzen, und der Umstand, dass alle höchsten
Berge der Erde noch in geologisch junger Zeit aufgerichtet oder
aufgeschüttet erscheinen, rührt lediglich daher, dass die Hochgipfel aus
früheren Perioden schon längst wieder abgetragen sind.
In erster Linie tiefen sich die Wasser ihre Läufe und Rinnsale im
Gesteine ans, wie es die Abbildung eines Gebietes in Colorado (S. 9)
übersichtlich darstellt, und schneiden dabei bald nur wenig ein, bald
bilden sie Schluchten von furchtbarer Tiefe, z. B. jene berühmten
„Canons" im Flußsystem des Rio Colorado, wo der Strom sich sein Bett
stellenweise bis zu 6000 Fuß Tiefe in die härtesten Gesteine eingegraben
hat. Eine besonders wichtige Erscheinung stellen bei der Ausbildung
solcher Einschnitte die Terrassen dar, welche deren Ränder begleiten und
einzelne Perioden in dem Verlaufe dieses Prozesses bezeichnen oder durch
die Einschaltung widerstandskräftiger Gesteinspartien bedingt sind.
Die Erosion:
Allein die Erosion beschränkt sich nicht darauf, Täler auszufurchen; sie
zerstört ganze Schichtensysteme vollständig oder lässt aus einem solchen
nur einen einzelnen Pfeiler, eins durch besondere Widerstandskraft
ausgezeichnete Partie stehen. In kleinen: Maßstabe tritt dies in der
Sächsischen und Böhmischen Schweiz in den allbekannten und
vielbewunderten Felsbildungen hervor (s. Abbildung, S. 13), allein
dasselbe wiederholt sich auch in den großartigsten Dimensionen, und in
den Alpen stellt z. B. der Bergkoloß der Drei Zinnen bei
Schluderbach, Tirol, (s. die beigeheftete Tafel) in seinen drei
phantastisch-kühnen Pyramiden einfach drei stehen gebliebene Stücke
eines ehemals über die ganze Gegend hin zusammenhängend ausgebreiteten
Schichtsystems dar. Mögen im ganzen die Hauptzüge der
Oberflächengestaltung unserer Erde durch die Gebirgsbildung gegeben
sein, alle Einzelheiten sind jedenfalls im weitestgehenden Maßstabe das
Werk der Denudation, die in wenigen Jahrmillionen alle Kontinente bis
zum Meeresspiegel abtragen würde, wenn nicht auf der anderen Seite
ununterbrochen wieder Ersatz für den Verlust zu Tage träte.
Nicht nur das fließende Wasser, auch das Eis ist bei dem Werke der
Zerstörung geschäftig: die Gletscher, welche aus den Hochregionen der
bedeutenderen Gebirge zu Tal gleiten, sowie die Inlandeismassen der
polaren Gegenden nutzen das Gestein ihrer Unterlage ab, tragen
Felsblöcke in die Tiefe und lagern sie in den sogenannten Moränen ab.
Noch sind allerdings die Meinungen bezüglich der Rolle, welche der
Wirkung des Eises in der Geschichte der Erde zuzuschreiben ist, sehr
geteilt; aber jedenfalls gehört es zu den interessantesten Faktoren der
geologischen Veränderungen.
Die Fossilien und die Erdgeschichte:
Die geschichteten Gesteine haben sich unter Wasser abgelagert und dabei
die Reste von Tieren und Pflanzen umhüllt, die in diesem gelebt haben
oder in dasselbe eingeschwemmt worden sind. Soweit diese Körper
überhaupt einer Erhaltung fähig waren, finden wir sie nun als Fossilien
oder Versteinerungen wieder, und sie bilden den Gegenstand des
paläontologischen Studiums. Ihre Deutung bietet in vieler Beziehung
große Schwierigkeiten, namentlich deswegen, weil alle zarteren Teile,
vornehmlich die Weichteile der Tiere, fast immer spurlos verschwunden
sind. Immerhin gelingt es, zu zeigen, daß eine ungeheure Menge
ausgestorbener Formen, teils den jetzt lebenden nahe verwandt, teils von
ganz eigentümlichem Gepräge, in der Vorzeit die Erde bewohnt hat, und
der Vergleich mit den verwandten Typen der heutigen Schöpfung läßt die
Bedeutung wenigstens der Mehrzahl unter ihnen mit genügender Sicherheit
erkennen. Indem wir nun die Aufeinanderfolge der abgelagerten Sedimente
und der Fossilarten in denselben studieren und die Vorkommnisse
verschiedener Gegenden miteinander vergleichen, finden wir, daß
in dieser Beziehung strenge Gesetzmäßigkeit herrscht. So gelingt es,
einzelne größere und kleinere Abschnitte der Erdgeschichte zu
unterscheiden und ein vollständiges chronologisches System
aufzustellen, dessen Ermittlung die Aufgabe der historischen
Geologie ist.
Handelte es sich in den bisher geschilderten Arten der Untersuchung um
die Gesetze, nach welchen der Aufbau der Erdrinde erfolgt, die Vorgänge
hierbei und die Materialien dazu, so ist es die Aufgabe eines anderen
Zweiges unserer Wissenschaft, der topographischen Geologie,
die Zusammensetzung der einzelnen Gebiets zu untersuchen und eine
Übersicht der Zusammensetzung der einzelnen Ländergruppen und Gebirge
herzustellen. Wohl ist vieles in dieser Richtung geschehen, aber es sind
doch verhältnismäßig nicht sehr große Teile der trockenen Erdoberfläche,
über deren Bau wir genaue Rechenschaft zu geben vermögen, während die
größten Räume noch gar nicht oder nur in den flüchtigsten Zügen bekannt
sind.
Praktische Geologie, die Aufgaben der Geologie:
Wir haben nun die wichtigsten Gegenstände geologischer Forschung kennen
gelernt, soweit sie sich auf rein theoretischem Gebiet hält; allein eine
großartige Erweiterung erfahren ihre Ausgaben durch die Menge der
wichtigsten Beziehungen zum praktischen Leben. In erster Linie stellt
die Lehre von den Lagerstätten nutzbarer Mineralstoffs,
seien es Kohlen, Petroleum, Erze der verschiedensten Art, Schwefel,
Gips, Phosphorit, oder Bausteine, Zementmergel, Kalk und Sand, einen
Teil der Geologie dar, und kein Bergmann kann ohne deren genaue Kenntnis
in seinem Fache etwas leisten; ja, es sollte rationeller Weise keine
größere technische Anlage in irgend einer der genannten Richtungen
unternommen werden, ohne das das besondere Urteil eines Geologen über
den mutmaßlichen Wert der auszubeutenden Lagerstätte eingeholt worden
wäre; finden Ingenieur, welcher Eisenbahn- oder Kanalbauten
unternimmt, ist die geologische Kenntnis des Terrains, das er
durchschneiden soll, unerlässlich; selbst bei der Bestimmung der
Bahntrassen wird in vielen Fällen die geologische
Beschaffenheit des Gebietes von ausschlaggebender Bedeutung sein; für
alle Quellen- und Wasserversorgungsfragen kann nur die Geologie eine
zweckmäßige Unterlage der Entscheidung liefern, und dem Landwirt gibt
sie die unentbehrlichen Elemente für die Bodenkunde an die Hand.
So sehen wir die Geologie, und mit ihr, wiewohl in zweiter Linie, die
Paläontologie, in zahllose Verhältnisse des praktischen Lebens
eingreifen, und diesem Umstande verdanken beide Wissensgebiete zum Teil
ihren raschen Aufschwung. Nicht nur, aß der Bergmann, der Ingenieur und
viele andere mannigfach selbst beobachtend und sammelnd zur Vermehrung
der Menge der bekannten Tatsachen und des theoretischen Wissens
beitragen, sondern die allgemein Platz greifende Überzeugung von dem
materiellen Nutzen, den die Pflege dieser Wissenszweige gewährt, hat
auch in den meisten zivilisierten Staaten Veranlassung gegeben, daß
bedeutende Geldmittel für geologische Untersuchungen aufgewandt und
dadurch zahlreichen Forschern ermöglicht wurde, ihre Studien im Felde
irr großem Maße durchzuführen.
-- Ende p. 14 --
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Definition Geologie als Wissenschaft:
Geologie und Geognosie (Reichetzer, 1821)
Wissenschaften Geognosie (Leonhard, 1835)
Geologie v/s Geognosie (Naumann, 1850)
Aufgaben der Geologie (Naumann, 1850)
Definition Geologie (Credner, 1891)
►
Das Wesen der Geologie. (Neumayr, 1897)
Geschichte der Geologie (Neumayr 1897)
Das Universum und die Erde
Das Olbersche Paradox (Petzholdt, 1840)
Entstehung Sonnensystems (Petzholdt, 1840)
Die Sonne - Sonnenfinsternis (Walther, 1908)
Die Erdumlaufbahn, Exzentrizität (Kayser,
1912)
Biografien
der Autoren
M.Neumayr
/ V.Uhlig (1897)
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