Historische Arbeiten
W. Griem, 2020Inhalt der Seite:
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Inhalt
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Fritsch (1888):
Geologie
Inhalt:
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Einführung
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Der Schnee
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Ausdehnung der
Gletscher
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Die Gletscher
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Physikalische Eigenschaften
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Bewegung der
Gletscher
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Untergrund des
Gletschers
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Abb. 89:
Rundhöckerbildung
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Bewegungsrichtung
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Schrammen und
Abschleifen
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Transport im
Gletscher
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Morphologische Formen
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Grundmoräne
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Moränen
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Menge des transportes
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Eis und Eisfreie
Gebiete
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Fig. 90. Der
Unteraargletscher
Foto/Scan - Digital bearbeitet: (W. Griem, 2019);
Fritsch, K. (1888) - Abbildung 88 Seite 322; Original-Größe 10 X 5 cm.
Titel: Löffelförmiges, im erweiterten Tal breites Ende des
Rhonegletschers im Jahre 1861. Nach einer Photographie.
Fritsch, K. (1888): Allgemeine Geologie. - 500 Seiten 102 Abbildungen,
Verlag J. Engelhorn Stuttgart.
[Sammlung W..Griem]
Die Abbildungen wurden mit einem HP
Scanjet G3110 mit 600dpi eingescannt, danach mit Corel Draw - Photo
Paint (v. 19) digital bearbeitet. Speziell Filter der
Graustufenverbesserung, Elimination von Flecken sowie Verbesserung der
Schärfe wurden bei der Bildbearbeitung angewandt (W. Griem 2020).
Die Texte wurden mit einer Pentax
Kr-3 II digitalisiert und später mit ABBYY (v.14) verarbeitet und zur
OCR vorbereitet. Frakturschriften wurden mit ABBYY Fine Reader Online in
ASCII umgewandelt; "normale" Schriftarten mit ABBYY Fine Reader Version
14.
Die Texte wurden den heutigen Rechtschreibregeln teilweise angepasst, es
wurden erläuternde und orientierende Zeilen eingefügt (W. Griem, 2020).
Informationen
Karl von Fritsch (1888): veröffentlichte einen Text auf 13 Seiten
über die Dynamik des Eises und der Gletscher. Mit diversen Zeichnungen
versucht er die damals bekannten Phänomene der Gletscher zu beschreiben.
Original Text von Fritsch, 1888; p. 322
3. Erosion durch Schnee und Eis, besonders durch Gletscher
Einführung:
Vor der Vollkraft der Erosions-Wirkung des Regens und der fließenden
Gewässer werden manche polare Landschaften und Gebirgsgegenden durch
Bedeckung mit Schnee und Eis einigermaßen geschützt. Dadurch wird
freilich nicht, wie es in der Regel durch aufgelagerte Gesteinsmassen
geschieht, die Abtragung zum vollständigen Stillstand gebracht. Denn
Schnee und Eis erodieren stellenweise selbst infolge des Umstandes, dass
sie Gesteinstrümmer zwischen sich festhalten und fortbewegen; auch
erzeugen sie Schmelzwasser von bedeutenderer Größe, als Quellen und
Bäche wärmerer Gebiete gewöhnlich zu sein pflegen.
Der Schnee:
Schnee, der von steilen Berglehnen herabgleitet, oder besser gesagt
herabfließt (lauenet), ruft durch seine Lawinen Verheerungen hervor,
welche in den dadurch betroffenen Gegenden, denen der Gewittergüsse
nahekommen. Auf dem allerdings nur beschränkten Raume der „Lawinenzüge“
werden Felsblöcke, Steine, Erdmassen etc., oft zusammen mit vereinzelten
entwurzelten Bäumen etc., von den Schneemassen mitgerissen. Solche
Lawinenzüge haben oft viele Jahre hintereinander die gleiche Lage und
lassen sich sogar auf orographischen Karten nicht selten auftragen.
Ausdehnung der Gletscher:
Ungleich grösser sind die Flächen, auf denen sich Gletscher ausdehnen.
In dem mitteleuropäischen Alpengebiete allein werden etwa 2400 qkm von
Gletschern überdeckt, von Norwegen soll 1/15 des gesamten Raumes, auf
Grönland *) vielleicht eine Fläche von 600.000 qkm vergletschert sein.
Auch Island zeigt eine bedeutende Verbreitung der Gletscher. Solche
finden sich ferner auf Spitzbergen, Franz-Josephs-Land, im Hochland des
nordwestlichsten Nordamerika, ferner im Himalaya, im Karakorumgebirge,
im Thian-Schan und Kuenluen, weiterhin auf der Südinsel von Neuseeland,
auch in den südamerikanischen Anden. Vereinzelte Gletscher kommen in
vielen Gebirgen vor, in Europa z. B. noch einige in den Pyrenäen und der
südspanischen Sierra Nevada.
Die Gletscher:
Gletscher sind mächtige Massen steinartig festen, körnigen, und zwar
meist grobkörnigen, blauen Eises, welche ansehnliche Flächen bedecken,
meistens in Stromform Täler ausfüllen und sich innerhalb der letzteren
abwärts fließend und gleitend bewegen.
Verfolgt man einen Gletscher talaufwärts, so gelangt man nach seinem
Ursprungsgebiete, dem „Firnfelde“. Firn ist Eis von mäßig grobkörnigem
Gefüge, welches weiß und schwammig ist, minder festen Zusammenhang zeigt
als das Gletschereis, stockförmig bis schichtförmig oder bankartig
auftritt und nach unten hin in Gletschereis ebenso gleichförmig
übergeht, als es nach oben hin mit frischem Schnee zusammenhängt. Wo
immer eine lange Zeit hindurch mehr Schnee fallt oder zusammengeweht
wird, als abschmelzen und verdunsten kann, da bildet sich Firn, und aus
großen Mengen von diesem entsteht unter dem Einflüsse von Druck und
teilweiser Schmelzung mit der Zeit Gletschereis. Zu Firn wird auch der
Schnee natürlicher Eishöhlen oder künstlicher Eisschächte, welche vom
atmosphärischen Niederschlage gespeist werden, mögen solche Eishöhlen in
sub-tropischen Gegenden sich finden, wie am Teyde auf der Insel
Teneriffa, oder in unsern mitteldeutschen Gebirgen. Große
Firnanhäufungen befinden sich entweder in Talmulden oder auf
Hochflächen; im letzteren Falle verbreiten sie sich oft über
ungewöhnlich große Räume hin.
Physikalische Eigenschaften Wasser - Eis
Es ist die eigentümliche Eigenschaft des Eises, dass dasselbe
nämlich
bei stärkerem Drucke schmilzt und, wo dieser Druck nachlässt, wiederum
aus dem flüssigen Zustand in den festen übergeht, welche bewirkt, dass
Eis einer Bewegung fähig und einer gewissen Plastizität unterworfen ist.
Infolgedessen kann Eis fließen, trotzdem es, wo ein Zug darauf wirkt,
wie u. a. die eigene Last des Eises ihn hervorruft, zerrissen und
gespalten wird.
Die Körnung des Eises hängt mit der Kristallisation zusammen: jedes
einzelne Gletscherkorn, von dem andern in der Regel durch „Haarspalten“
getrennt, ist ein kristallographisches Individuum, wie auch die Körner
des Marmors oder des Steinsalzes es sind. Der Gletscher besitzt eine
gewisse Schichtung durch „Schmutzbänder“, d. h. durch Lagen von Staub,
von Blättern, Tierresten etc., die in der schneearmen Jahreszeit auf die
Oberfläche fallen. Außerdem finden sich in sog. Gletscherbrunnen, in
Spalten, in Kanälen der Schmelzwasser etc. nicht selten Sand, Grus und
Steine etc. Das Eis der Gletscher fließt auf geneigtem Boden talabwärts,
und die Anhäufung neuer Schneemassen in den Firngebieten wird durch
dieses Abwärtsfliessen ziemlich aufgewogen. Ein gewisses Wachstum des
Eises beim Gletscher selbst tritt zuweilen durch die Absorption des in
der Luft befindlichen Wasserdampfes und durch zeitweilig eintretende
Vereisungen von Schneemassen ein, welche auf den Gletscher, auch in
seinen unteren Teilen, niederfallen, Spalten im Gletscher füllend oder
seine Oberfläche deckend. Indes ist außerhalb des Polarkreises der
letztgenannte Vorgang so wenig wirksam, dass schon im Anfänge des Monats
August in den Schweizer Alpen gewöhnlich aller vorjährige Schnee von der
Oberfläche der Gletscher verschwunden ist oder, wie man sich ausdrückt,
der Gletscher sich „aber“ oder „geabert“ zeigt. Um die Absorption zu
bestimmen, wog Hugi einen glatt gehobelten Eiswürfel. Derselbe nahm +
1,0° bis 1,5° in einer Nacht um 13 Lot an Gewicht zu, behielt am
folgenden Tage ein vergrößertes Volum, wurde aber auffallender weise
während des Tages um ebenso viel wieder leichter. Nach Ablauf von 16
Tagen war das Volum unter Bildung einer rauen, warzigen Oberfläche sehr
stark angewachsen, die Masse hatte aber trotzdem an Gewicht mehrere
Pfunde verloren.
Bewegung der Gletscher:
Die Bewegung der Gletscher entspricht der von Wasserströmen oder
Lavaströmen und ist der letzteren ähnlicher, weil auch Lava beim Zuge
reißt und birst, durch Druck aber zusammengedrängt wird. Die Bewegung
der Gletscher ist abhängig von der Gestalt der Fläche, auf der sie
auflagern. Der Gletscher verbreitert sich mit dem Thale und drängt sich
auf ein schmales Bett in den Talengen zusammen. Letzteres geschieht
natürlich gleichzeitig mit einer Aufstauung. Wo die Böschung des
Gehänges eine wechselnde ist, entstehen auf den steilen Hängen durch
Reißen und Zug Spalten, bei geringerer Neigung werden deren Wände
zusammengedrängt und die Masse wird wieder zu einer einheitlichen. Die
Oberfläche des Gletschers zeigt sich daher durchaus abhängig von der
Gestalt des Untergrundes.
Die Bewegung ist unter sonst gleichen Verhältnissen auf steilem Gehänge
am schnellsten. Sie wird durch Verengerung des Bettes oder
Ungleichförmigkeiten des Bodens nicht besonders gehemmt. Die Oberfläche
rückt, wie bei allen strömenden Massen, rascher als die inneren Teile,
und von dieser Oberfläche bewegt sich die Mitte schneller als die
Seiten. Überdies wird die Bewegung beschleunigt durch Regen- und
Schneeschmelzen, sie ist bei heißem Wetter stärker als bei kaltem, bei
Tage grösser als nachts. Der Winter hemmt die Bewegung nicht ganz. Eine
ruckweise Bewegung findet nie statt, allerdings erzeugt das Aufreißen
von Spalten gar nicht selten besondere, eigentümliche Erzitterungen des
ganzen Gletschers.
Der Untergrund des Gletschers:
Mit großer Gewalt drückt der Gletscher auf seine Unterlage. Diese Kraft
konnte an einigen Stellen mancher Gletscher genauer gemessen werden.
Solchen Bestimmungen kommt nur für den bestimmten Ort und für eine
beschränkte Zeit Bedeutung zu. Denn der Druck ist gewöhnlich
ungleichmäßig verteilt. Die Gletscher wachsen zeitweise, zu anderen
Zeiten schmelzen sie weiter als gewöhnlich ab. Die Zerspaltung des Eises
und Abschmelzung an der Unterfläche des Gletschers verringern für manche
Stellen, deren Lage natürlich mit der Fortbewegung der Masse wechselt,
den Druck bis zur Herstellung bloßen Luftdruckes: umso stärkere Pressung
haben benachbarte, unter Eispfeilern gelegene Stellen der
Untergrundgesteine auszuhalten.
Wiederholt ist beobachtet, dass Steinblöcke unter dem Gletscher
zerquetscht worden sind; der Druck hat auf solche so gewaltig gewirkt,
dass sie früher zertrümmert als ins Eis eingepresst wurden.
Dementsprechend ist anzunehmen, dass harte Kalksteinbänke, die mit
weichen Tonen oder Mergeln Wechsellagern, durch Eispfeiler zerdrückt
werden und dass ähnliche Ereignisse auch für andere nachgiebige
Gesteinsmassen eintreten. Plastische Untergrundmassen können durch
Eispfeiler zu Emporquellungen, Auffaltungen, örtlichen Verdrückungen
etc. gebracht werden, wie solche bei Aufschüttung von Dämmen, Halden
etc. beobachtet werden. Auch diese Einwirkungen betreffen bald diese,
bald jene Stelle und die Fortbewegung des Gletschers verwischt meist
allmählich die Spuren solcher Ereignisse.
In sehr vielen Fällen sind die durch den Druck des Eises direkt
hervorgerufenen Erosionen darauf im Wesentlichen beschränkt, dass lose
Gesteinstrümmer und allenfalls lockere Felsarten aus dem
Verbreitungsgebiete der Gletscher nach und nach herausgefegt werden, bis
anstehende feste Felsbänke entblößt sind, deren Zusammenhalt durch den
Druck nur verstärkt wird.
Indirekt wirkt der Gletscher auf solche Felsmassen durch Steine, Sand
und Schlamm, welche sich oft zwischen Eis und Fels befinden und sich
verhalten wie Schmirgel zwischen einer weichen Metallscheibe und dem
harten Glase, das zu schleifen ist. Große, harte Steine erzeugen
Furchen, Rillen, Schrammen und Ritzen in den Felsen. Das feinere
schlammähnliche oder sandige Zerreibsel glättet und poliert deren
Flächen. Die Ungleichheit der Härte und die natürlichen
Absonderungsklüfte veranlassen bei langdauernder Einwirkung dieses
Schleifens die Entstehung eigentümlich gerundeter Felsbuckel: der
Rundhöcker oder Nollen (Fig. 89).
Die Bewegungsrichtung des Gletschers:
Die Bewegungsrichtung des Gletschers ist gewöhnlich durch die mittlere
Richtung der Schrammen angedeutet. Indes sind diese doch häufig in
verschiedenster Weise gekreuzt und namentlich diejenigen Rillen, welche
von den in zusammengepressten Sand- und Schlammmassen befindlichen
Brocken herrühren, nicht von den im Eise fest eingeklemmten, gleichsam
als Feilenzähne dienenden Steinen, verlaufen in der Richtung, wohin das
Schleifmaterial ausweichen kann, nicht in der, wohin der Gletscher sich
bewegt. Es kann also die Schrammungsrichtung senkrecht zur
Bewegungsrichtung stehen, wo Absonderungsklüfte des Untergrundgesteines
oder Gestaltung der Felshindernisse der Gletscherbewegung dies bedingen.
Schrammen und Abschleifen:
Wie leicht Felsen überhaupt geglättet, geschrammt und geritzt werden
können, sieht man an der starken Einwirkung der wenigen Sand- oder
Kieskörner, die an bergab gleitendes Holz unserer Gebirgsschläge sich
angeheftet haben: an der Felsschrammung, längs der Holzschlaufen und
steilen Bergwege unserer mitteldeutschen Gebirge.
Der Abschleifung durch
den Einfluss des Gletschers gegenüber erscheint diese Wirkung sehr
stark, weil die Reibung gleitender Hölzer eine ziemlich schnelle zu sein
pflegt. Es ist ja vom künstlichen Schleifen bekannt, wie sehr unter
sonst gleichen Umständen die Schnelligkeit der Bewegung die Wirkung
verstärkt, weil die reibenden Körner durch das Trägheitsgesetz
verhindert sind, ihren Ort bei schneller Bewegung so leicht zu wechseln
wie bei langsamer. Gesteinsstücke, welche, innerhalb des Gletschereises
steckend, den Untergrund geglättet haben, werden natürlich selbst ebenso
abgefeilt und gewinnen ganz ähnliche Ritzen und Schrammen wie diese
Felsmassen. Dergleichen Schliffe oder Ritzungen treten nicht selten an
mehreren Flächen solcher „Schleifsteine“ oder „Mahlsteine“ auf. Das Zerreibsel der Mahlsteine und der Untergrundfelsen ist meist ein feiner
Schlamm, der beim Schleifen der Felsflächen eine erhebliche Bedeutung
hat.
Transport im Gletscher:
Allmählich führt der Gletscher die in denselben eingebackenen
Gesteinsmassen und diejenigen losen Stücke, welche an seinen Oberflächen
liegen, talabwärts. Oben auf dem Eise häufen sich besonders solche
Gesteinsstücke, welche von den benachbarten Bergspitzen oder Talwänden
herunterrollen. Sie bilden gewissermaßen Uferwälle: die „Gandecken“ oder
Seitenmoränen. An Stellen, wo die Gletscher mehrerer ineinander
mündender Täler miteinander verschmelzen, verknüpfen sich miteinander
auch diese seitlichen Trümmermassen und bilden sogenannte
„Mittelmoränen“ oder „Guferlinien“ [Korrekt:
Gufferlinien]. Daran kann man zählen (Die
Mittelmoränen entsprechen H+1 Gletscherarmen), aus wie viel Armen ein
Gletscher gebildet ist (Fig. 90). Die Mittelmoränen treten nach abwärts
gewöhnlich schärfer über die Fläche des Eises hervor, weil sie selbst
die Einwirkung der Sonne auf das Eis hemmen und deswegen, von förmlichen
Eisrücken getragen, sich über die sonstige Oberfläche des Gletschers
erheben.
Spezielle morphologische Formen:
Von den auf der Oberfläche des Gletschers in Moränen oder
vereinzelt liegenden Steinblöcken kennt man eine eigentümliche
Fortbewegungsart. Dieselben bilden, weil sie die Abschmelzung für ihre
eigentliche Unterlage hemmen, auf Eissäulen getragene
„Gletschertische“. Nach der Sonnenseite, also meist nach Mittag, brechen
oder sinken diese von der tragenden Eis-Säule allmählich herab, weil der
Fuß der Säule selbst der Abschmelzung unterliegt. Dann rückt der
Felsblock etwas weiter fort und schirmt wiederum eine Zeitlang das unter
ihm befindliche Eis vor der Abschmelzung, so dass er eine Querbewegung
über manche Gletscher bei langsamem Laufe der letzteren zu machen im
Stande ist; bei anderen Gletschern wandern die „Tische“ schneller als
das (in den Alpen) von Nord nach Süd fließende Eis, bei noch anderen
wieder langsamer als der Eisstrom.
Grundmoräne und Schmelzwässer:
Alles Steinmaterial, das sich unter
dem Eise befindet, wird als Grundmoräne bezeichnet. Eis-Tore am
Gletscherende und manche Spalten ermöglichen es bisweilen,
Wanderungen unter dem Gletscher auszuführen. Man nimmt in den Alpen bei
solchen Gelegenheiten wahr, dass auf große Strecken hin gewöhnlich das
Eis entweder unmittelbar den nackten Felsboden berührt oder,
gewissermaßen getragen von größeren und kleineren Steinpfeilern, über
demselben steht. Diese Steinpfeiler selbst gehören natürlich zu jenen
Schleifsteinen, welche zur Glättung und Ritzung des Untergrundes
beitragen, sie sind es, die nicht selten durch den ungeheuren Druck zerpresst werden.
An manchen Punkten haben die Schmelzwässer, welche
unter dem Eise sich bewegen, Steine und Sand zusammengehäuft.
Kiesmassen von größerer oder geringerer Ausdehnung sieht man dann unter
dem Eise des Gletschers dem Felsen aufliegen. Auch hat man zuweilen
Gelegenheit, wahrzunehmen, dass die feineren, schlammartigen Zerreibsel
auf bestimmten Stellen zusammengeführt worden sind, wobei gewöhnlich
einzelne größere Gesteinstrümmer in solchem subglazialen Schlamme inneliegen.
Die subglazialen Bäche tragen ebenfalls zur Erosion ihrer
Unterlage bei. Doch dürfte im Großen und Ganzen die Richtung der
subglazialen Wasserläufe vermöge der Druckeinwirkung des Eises und
anderer Verhältnisse nicht’ eine sehr gleichbleibende sein. Tief
eingreifende Wasserrinnen scheint noch niemand unter einem Gletscher
wahrgenommen zu haben.
Die Schmelzwässer bewegen sich aber nicht nur
unter dem Gletscher, sondern zum erheblichen Teile auch auf und in
demselben. Wir finden an warmen Sommertagen förmliche kleine Bäche, die
einen kürzeren oder längeren Lauf auf dem Eise nehmen und kleinere oder
größere Bruchstücke des Mittel- und Seitenmoränenmaterials mit sich
fortführen. An einzelnen Punkten, namentlich in Spalten, dringt solches
Wasser in den Gletscher ein, quillt etwa an anderer Stelle wieder hervor
und bewegt sich schließlich dem Grunde desselben zu. Dabei wirken die
mehr oder weniger großen Spalten und Kanäle im Eis gewissermaßen wie
Filter; ein erheblicher Teil des mitgeführten. Steinmaterials, Kies,
Grant und dergleichen, bleibt in diesen Spalten, verstopft dieselben
auch wohl und nötigt den Gletscherbach, einen anderen Weg einzuschlagen.
An einzelnen Stellen gibt es förmliche starke Wasserfälle, die sich in
den Gletscher hineinstürzen. Ein großes Getöse kündigt solche sogenannte
Gletschermühlen an. Man hat vielfach angenommen, dass solche in den
Gletscher eindringende Wasserfalle vermöge der von ihnen wirbelnd
bewegten Steine trichterförmige Löcher in die Unterfläche einbohren
könnten. Dergleichen „Riesenkessel“ werden am häufigsten in den
Flussbetten und Bachbetten durch schnellfliessendes, sich stauendes,
daher wirbelndes Wasser erzeugt; also können recht wohl die Stauungen am
Gletschergrunde schnell abfließender Schmelzwässer solche Wirbel
hervorrufen und „Riesenkessel“ erzeugen, während die Beobachtung, dass
solche Auskesselungen nur selten bei Wasserfällen auftreten, gegen die
oben angeführte Deutung spricht (vgl. S. 315).
Moränen:
Endmoränen heißen die
Anhäufungen von Steinen, Sand und Schlamm, welche am unteren Ende von
Gletschern durch eine Verschmelzung aller vom Eise und mit demselben
bewegten festen Massen sich bilden und welche sehr oft als
halbmondförmige oder hufeisenförmige Wälle mit nach vornehin gewölbtem
Bogen Talabschnitte begrenzen, wenn sie dem zerstörenden Einflüsse der
Schmelzwässer und der Regengüsse Widerstand zu bieten vermögen. Die eben
angeführten Ursachen bringen es mit sich, dass örtlich und zeitlich
manche Gletscher keine deutliche Endmoräne haben und dass diese meistens
erst bei längerem gleichmäßigen Stande des Gletscherendes für die
Gestaltung einer Gegend bedeutungsvoll wird.
Rückstandsmoränen darf man
die gesamte, erst vom Eise bewegte und mitgeführte Masse von grobem und
feinem Material nennen, welche beim Abschmelzen eines Gletschers in
dessen Raum zurückgeblieben ist.
Menge des transportierten Materials:
Messungen über die Quantität des festen
Materials, welches einem Gletschergebiete entnommen wird, sind noch
nicht in großer Zahl angestellt. Diese Beobachtungen sind deswegen
ziemlich schwer, weil der Schlammgehalt der Talgewässer ein sehr
wechselnder ist. Wer in den Alpen frühmorgens den Gletschern zueilt,
sieht wunderbar klares Wasser in den alpinen Flüssen und Bächen. Erst
wenn die Sonne mehrere Stunden gewirkt hat und die Abschmelzung des
Eises stärker geworden ist, bestehen dieselben Flüsse, Bäche und
Wasserfälle aus einer Flüssigkeit, in welcher man die fremden Teile
erkennt, die aber äußerst selten so schlammig wird wie derselbe
Alpenbach nach einem halbstündigen Regen. Im Sommer scheint äußerst
selten mehr als der 6- bis 7000. Teil des Wassergewichtes an Schlamm im
Wasser sich zu befinden; im Herbste und Winter, wenn die Bewegung des
Gletschers geringer wird, ist auch der Schlammgehalt des Wassers ein
sehr unbedeutender. Nach Heim wurde der Unteraarbach jährlich höchstens
6.000 cbm Gestein in Gestalt von Gletscherschlamm bewegen, etwa 1/20.000
des Wassergewichtes. Am Forno-Gletscherbach fand derselbe Forscher im
Juni nur 1/250.000 Schlammgehalt. Auch Heliands Zahlen über die
Erosionswirkung der norwegischen und der grönländischen Gletscher lassen
einen Schlammtransport von höchstens 1/20.000 der jährlichen Wassermasse
erwarten. Der große Justedalsgletscher soll nach Heiland jährlich 69.000
cbm Fels, d. h. einen Würfel von 41 m Seitenlänge entfernen. Ungleich
grösser ist die Schlamm- und Geschiebeführung der Gewässer in unseren
mitteldeutschen Gebirgen, worüber wir auf Seite 305 und 317 verweisen.
Zusammenspiel von Eis und Eisfreien Gebieten
In den Alpen hat man oft Gelegenheit, die Wirkungen der Gletschererosion
mit denen der gewöhnlichen Abtragungsursachen anderer Art
zusammenzuhalten, auch an einer und derselben Stelle die Spuren der
vollkräftigen atmosphärischen Erosion, die seit dem Zeiträume vor der
„Eiszeit“ auf die Zackenkämme des Gebirges wirkt, mit denen der
eiszeitlichen Veränderungen und den Zerstörungen seit Beginn des
„postglazialen“ Zustandes des betreffenden Punktes zu vergleichen. Man
ersieht leicht, dass das Tal in der Eiszeit einen Schutz genossen hat,
wie jetzt noch die gletschererfüllten Täler von geringeren Veränderungen
betroffen werden als benachbarte eisfreie.
Die Abflüsse großer Gletscher scheinen viel Zeit zur Ausfüllung selbst
kleiner Seebecken zu
gebrauchen; mehr als in nahe gelegenen Landstrichen die Bäche und
Flüsse, selbst wenn dort die Pflanzenwelt dem Boden mehr Schutz gewährt,
als in Gletschergebieten vorhanden und geboten zu sein pflegt.
[- Ende 335 -]
Geschichte der Geowissenschaften
Allgemeine Geologie
Gletscher und Eiszeiten:
Gletscher Zermatt (Burmeister, 1851)
Zermatt-Gletschers (Beche, 1852)
Gletscher am Ozean (Beche, 1852)
Humboldt-Gletscher (Ludwig, 1861)
Bildung eines Gletschers (Roßmäßler,
1863)
Gletscher in Bewegung (Credner, 1891)
Arten von Gletscherspalten (Credner, 1891)
Aar-Gletscher, Beispiel (Beche, 1852)
Gletscher, Schweiz (Ludwig, 1861)
Gletscher, Zentralmoräne (Roßmäßler, 1863)
Gletscher und Moränen (Siegmund, 1877)
Gletscher Monte Rosa (Lippert, 1878)
Idealer Gletscher (Credner, 1891)
Endmoräne eines Gletschers (Vogt, 1866)
►
Text: Dynamik der Gletscher (Fritsch, 1888)
►
Ende des Rhone-Gletschers (Fritsch, 1888)
►
Rundhöcker bei Grindel (Fritsch, 1888)
►
Der Unteraargletscher (Fritsch, 1888)
Moräne, Schweizer Alpen (Fritsch, 1888)
Text: Wirkung des Eises (Neumayr, 1897)
Gletscher in Bewegung (Neumayr, 1897)
Erosion, Transport, Gletscher (Neumayr, 1897)
Biografien
der Autoren
Karl von Fritsch (1888)
Download Zentrum:
Historische Bücher der Geowissenschaften
Download Zentrum: Fritsch, 1888
Einführung Allgemeine Geologie (span.)
Gletscher und Eis
Virtuelles Museum:
Geologie (span.)
Erratischer Block
Permafrost Polygone
Tillite,
Moränen
Geschichte der Geowissenschaften
Geschichte der Geowissenschaften
Geschichte Allgemeine Geologie
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