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Geschichte der Geowissenschaften: Allgemeine Geologie

Burmeister (1851): Zermatt Gletscher in der Schweiz

Historische Arbeiten

W. Griem, 2020

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 Aus: H. Burmeister  - "Oberer Teil des Zermatt Gletschers "; Abbildung 3, Seite 52. Original-Größe der Abbildung: 10 cm zu 8 cm.

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Autoren der historischen Arbeiten

Burmeister, H. (1851): Geschichte der Schöpfung. - 608 Seiten, 228 Abbildungen, vierte Auflage (1851); Verlag Otto Wigand; Leipzig.
[Sammlung: W. Griem]

Die Abbildungen wurden mit einem HP Scanjet G3110 mit 600dpi eingescannt, danach mit Corel Draw - Photo Paint (v. 19) digital bearbeitet. Speziell Filter der Grau­stufen­verbesserung, Elimination von Flecken sowie Ver­besserung der Schärfe wurden bei der Bild­bear­bei­tung angewandt (W. Griem 2020).

Die Texte wurden mit einer Pentax Kr-3 II digi­talisiert und später mit ABBYY (v.14) ver­arbeitet und zur OCR vor­bereitet. Fraktur­schriften wurden mit ABBYY Fine Reader Online in ASCII umge­wandelt; "normale" Schrift­arten mit ABBYY Fine Reader Version 14.
Die Texte wurden den heutigen Recht­schreib­regeln teil­weise ange­passt, es wurden erläuternde und orien­tierende Zeilen ein­gefügt (W. Griem, 2020).

Burmeister (1851): Zermatt Gletscher in der Schweiz

Informative Übersicht

Hermann Burmeister beschreibt den Zermatt Gletscher, im Hintergrund das Breithorn, links im Vordergrund das Riffelhorn.
Er beschreibt die Vorgänge im Gletscher Eis und postuliert seine plastische Verformung um eine Bewegung nach unten zu ermöglichen. Burmeister definiert einen Gletscher durch seine Bewegung von oben nach Unten, bis in Regionen wo es die Temperaturen eigentlich nicht mehr erlauben Eis zu erhalten.
Burmeister unterscheidet 3 Arten von Eis, (blaues, mit blasen und Weißes).
Nach Burmeister können die Bewegungen durch Gravitation und Abschmelz-Mechanismen erklärt werden. Auch die Volumenveränderung zwischen Eis und Wasser spielt eine wichtige Rolle. Er sieht den Gletscher als ein Zusammenspiel von Eis und Wassertropfen an. Es werden diverse morphologische Formen und Situationen erläutert.
Die hier beschriebene Definition eines Gletschers gleicht der Heutigen - das Vorhandensein von Bewegung ist hier ein wichtiges Kriterium.

Original Text von Burmeister: Gletscher und Eis
p. 51 - 56


[...] Zwar können die angedeuteten Wirkungen nur da eintreten, wo es Temperaturgrade unter 0 gibt, und hiernach scheint ihr Einfluß ein beschränkter zu sein; berücksichtigt man aber, daß auf allen höheren Gebirgen, selbst in der Tropenzone, nicht bloß periodisch eine so niedrige Temperatur sich einstellt, sondern in einer bestimmten Höhe fortdauernd anhält, ohne anders als örtlich und auf gewisse Zeiten über den Gefrierpunkt des Wassers sich zu erheben, so wird man die Allgemeinheit der Temperatur-Wirkungen nicht mehr verkennen. Oberhalb einer konstanten Grenze, welche man die Schneelinie genannt hat, tragen solche Gebirge nur Eis oder Schnee, und senken ihn an einzelnen Stellen sogar weit unter die Schneelinie hinab, die als Gletscher bekannten Eisfelder daraus bildend. Ihre Anwesenheit ist für die Veränderungen der benachbarten Gebirgsgipfel von größter Wichtigkeit und bedarf um so mehr der weiteren Berücksichtigung, als Gletscher in früheren Perioden der Erdumwälzungen eine sehr große Rolle gespielt zu haben scheinen. Wir werden deshalb die Gletscher selbst näher kennen zu lernen suchen.

Gletscher [*8] sind also Eismassen, welche von den Spitzen der Berge herabkommen, die obersten Talenden erfüllen und sich geraume Strecken im Tale hinziehen, während die benachbarten Talwände schon längst vom Eise befreit erscheinen.

Ihren Ursprung nehmen sie aus dem Schnee des Hochgebirges, mit dem sie auch oben in ununterbrochener Verbindung stehen, und ebendeshalb hier noch ein lockeres Gefüge besitzen. Aber die Schneeflocken tauen im Sommer unter dem Einfluß der steiler auffallenden Sonnenstrahlen äußerlich an, runden sich dabei ab, saugen das Wasser ein, oder lassen es in die Tiefe hinabträufeln, bis es die Lücken zwischen ihnen ausgefüllt hat und wieder Eis geworden ist; was bald der Fall sein muß, weil die Wirkung der Sonnenwärme eben nicht weit in die Schneeschicht eindringen kann. Durch diesen Prozeß entsteht aus ihr der körnige Firn. Schreitet später das Abtauen des Schnees und das darauf folgende nächtliche Gefrieren des Wassers noch weiter vor, so verwandelt sich der Firn in festes Eis, und der Gletscher wird allmählich zu kristallieren, anfangs noch blasenreichen, später ganz homogenen Eismassen von azurblauer Farbe. Die Art, wie der Gletscher sich nach und nach gestaltet hat, ist zugleich Ursache seiner fortschreitenden Bewegung; sie veranlaßt ihn, talwärts vorzurücken, wobei er natürlich in eine Gegend gelangt, deren gesteigerte Temperatur seinem Bestehen hinderlich wird; er muß wieder abschmelzen und Wasser erzeugen, das alsbald in zahlreichen Bächen, gewöhnlich aus weiten Mündungen, sogenannten Gletschertoren, unter ihm hervorrieselt. Die Bewegung des Gletschers wird übrigens durch das Gefrieren des Wassers bewirkt, welches von der Oberfläche abtauend in die Lücken des Firns eindringt und dabei sich ausdehnt, mithin seine Umgebung nach allen, doch zumeist nach denjenigen Seiten vorwärts schiebt, wo es den geringsten Widerstand findet; sie wird aber noch unterstützt durch die Neigung der Bergflächen, auf welchen die Gletscher ruhen und durch tiefe Querrisse, Schründe genannt, in welche alle Gletscher mehr oder weniger leicht sich teilen, je nachdem sie von mehr oder weniger abschüssigen und unebenen Unterlagen getragen werden. In diese Schründe dringt ebenfalls Wasser und gelangt aus ihnen seitlich in zahlreiche feine Haarspalten, welche das ganze Gletschereis durchsetzen, und sich mit Wasser füllen, sobald ihnen solches zugänglich wird. Die Ausdehnung des hier wieder gefrierenden Wassers bewirkt ebenfalls einen Teil der allgemeinen Gletscherbewegung talabwärts, welche natürlich durch die Neigung des Gletscherbodens und den Mangel eines Widerstandes am untern Ende des Gletschers als die einzig mögliche gegeben ist. Sorgfältige Beobachtungen bestätigen diese Vorstellung und fügen noch hinzu, daß das Fortschreiten des Gletschers an seinen Seitenrändern schneller geht, als in der Mitte, weil das Abtauen des Eises in der Umgebung aller fremden Massen durch die leichtere Erwärmung derselben beschleunigt wird, die Lücken in ihm also sich vergrößern und das schnellere Nachrücken der Massen verstatten.

Die Gletscherbildung in den Hochgebirgen wirkt nun in mehrfacher Beziehung auf die Veränderung der Gebirgskämme ein, und zwar im Allgemeinen zerstörend. Zuerst sprengen die tieferen Temperaturgrade, welche durch die Nähe so großer Eismassen unterstützt werden, mittelst des in die Spalten der Gesteine eingedrungenen Wassers die Talwände, und veranlassen ein beständiges Herabfallen der Gebirgsbruchstücke auf den Gletscher. Rückt nun der Gletscher vorwärts, so gehen die abgefallenen Bruchstücke mit ihm, und beschreiben von der Ursprungsstelle her eine Linie auf dem Gletscher, welche bis ans Ende desselben reicht, und den Namen Gufferlinie führt, so lange sie auf seiner Fläche bleibt. Weil aber die Felsbruchstücke nur von freien Felswänden herabfallen können, so entstehen mittlere Gufferlinien bloß an Orten, wo zwei oben getrennte Gletscher sich vereinigen; alle Trümmer, welche der Gletscher von beiden Seiten empfängt, bleiben auf seinem Rande liegen und werden in derselben Lage von ihm weiter geschafft. Diese Trümmerlinien nennt man Gandecken. Der gemeinsame Namen für beide Felsblockreihen ist übrigens Moränen, wobei man die einzelnen je nach ihrer Verteilung über den Gletscher als Mittel-Moränen, Seiten- oder Rand-Moränen und End- Moränen unterscheidet. In solcher Art führen die Gletscher Bruchstücke der Gebirge aus den höchsten Regionen in die Tiefe hinab, und häufen an ihrem Ende mit der Zeit Steindämme auf, welche nur zufällig vermehrte Kräfte, wie sie aufgestaute Wassermassen erlangen, in die Ebene führen können. Wir haben hiervon oben bei Schilderung durchbrechender Seen ein Beispiel kennen gelernt, und könnten diese Tatsache durch neue Belege noch mehr bestätigen, wenn es unsere Absicht wäre, alle einzelne Beispiele für ausgestellte Behauptungen ausführlicher zu erörtern. Wir gehen aus demselben Grunde nicht weiter in die Untersuchung der fortschaffenden Wirkungen des Gletschereises ein, sondern berühren nur noch eine zweite merkwürdige Erscheinung, welche mit dem Fortschreiten desselben verbunden ist. Das sind die abgeschliffenen, polierten Felswände und Kuppen, welche man in vielen Tälern als Wirkungen der Gletscher beobachtet hat, als Produkte der Reibung des Gletschers mittelst seiner rauhen, sandigen Grundfläche gegen die Gesteine des Talbodens und der Wände während seiner langsamen Bewegung. Man trifft polierte. Stellen heutigen Tages in vielen Tälern an, wo keine Gletscher mehr stehen, und schließt daraus mit einigem Recht auf ihre frühere Anwesenheit. Ganz allgemein ist indes dieser Schluß nicht erlaubt, da auch fallende Gießbäche, welche Gerölle mit sich fortführen, abschleifend auf ihre Seitenwände und Unterlagen wirken, mithin dieselben Erscheinungen, wie Gletscher, Hervorbringen. Auch der bloße Wasserstrom kann, wenn er längere Zeit mit großer Gewalt durch einen engen Ausgang getrieben wird, abschleifen, und nach und nach die Stellen, welche er berührt, sogar etwas aushöhlen. Vermehrt würde übrigens auch in diesem Falle die Wirkung und beschleunigt, wenn der Strom Gerölle triebe und damit die Wände des Engpasses abschliffe. Auf die Möglichkeit eines solchen Verhältnisses hat zuerst L. v. Buch hingewiesen, indem er die merkwürdigen Vertiefungen erklärte, welche im Tale der Salza bei Golling, oberhalb Salzburg, 150 Fuß [47m] über dem jetzigen Wasserspiegel an den Felswänden Vorkommen, und aus mehreren parallel übereinander fortlaufenden Löcherreihen bestehen, die der Fluß, als er einstens in dieser Höhe stand, auswusch. —

Gefrorne Wassermassen von beständiger Dauer gibt es aber nicht bloß auf den höchsten Punkten derjenigen Gebirge, welche die Schneelinie überragen, sondern auch an den Polen unseres Planeten. Hier sind sie unter dem Namen Polareis ebenso allgemein bekannt, wie die Gletscher in den Alpen, erreichen aber einen bei weitem größeren Umfang, indem sie am Nordpol zwischen 70° und 80°, aber am Südpol schon zwischen 60° und 70° beginnen, weiterhin immer dichter werden und gleich mächtigen Felsen die ganze Fläche des Polarmeeres bedecken. Auch diese Eismassen sind Gletscher, welche vielleicht von Inseln oder noch unbekannten Polarländern ausgehen, nach und nach vorschreitend das Meer erreichen, und wenn sie bis zu hinreichenden Tiefen gelangt sind, vom Meere schwimmend fortgeführt werden [*9].

So kommen sie in die wärmeren Regionen, tauen hier ab und verschwinden allmählich ganz, während neue Massen von den Polen her ihnen folgen. Manche dieser Eisberge führen Gerölle und Schutt auf ihrer Oberfläche mit sich, ja ungeheure Felsblöcke hat man in ihnen bisweilen wahrgenommen; weshalb es keinem Zweifel unterliegt, daß sie vom Lande herstammen, auf dem sie nach Art der Gletscher mit Felstrümmern sich bekleideten, oder baß sie an Küsten festsaßen, und vielleicht von dort her die Schuttmassen aufhoben. Auf solche Art können die Eisberge ihre Steindecken, wenn sie bei beträchtlicher Größe nur langsam abtauen, in ferne Gegenden bringen, indem sie daselbst auf den Strand geraten und zerfließen, ihre Beischlüsse allein zurücklassend; wie es namentlich in Nord-Amerika an der Mündung des Lorenzo eine bekannte, sich jährlich wiederholende Erscheinung ist. Diese Erfahrung hat für uns eine sehr große Wichtigkeit, denn sie erklärt am besten die Verbreitung von Felstrümmern über Gegenden, welche vormals nachweislich Meeresboden waren, und gegenwärtig nicht mehr mit den Gebirgen in Berührung stehen, von denen die Trümmer herstammen. Solche zerstreuten Felstrümmer werden erratische oder Findlings-Blöcke genannt; sie finden sich sehr häufig in der ganzen norddeutschen Ebene bis nach Polen und Rußland hinein, und scheinen von den Gebirgen Skandinaviens oder Finnlands herzurühren, da sie ihrer Beschaffenheit nach ganz mit den dort anstehenden Gesteinen übereinstimmen. In ähnlicher Weise finden sich erratische Blöcke auf den Höhen des Jura, die ursprünglich Bestandteile der gegen-überliegenden Alpenkette waren. Gibt man nun zu, daß Norddeutschland noch Meeresboden war, als auch die flacheren Küstengebiete des nördlichen Schwedens unter dem Wasserspiegel sich befanden, so fluteten die auf den Höhen des Kjölengebirges [Früherer Name des Skandinavischen Gebirges „Skandinavischen Alpen“] entstandenen Eismassen ungehindert über die damals weit nach Süden ausgedehnte Ostsee fort, und verloren, je weiter sie südlich vordrangen, die ihnen anhängenden Felsentrümmer, welche natürlich zu Boden fielen und den damaligen Seegrund bedeckten. Ganz ähnlich hat man sich das heutige Tal der Aar und ihrer Nebenflüsse bis zum Genfersee als einen tiefen Meerbusen zu denken, auf dem die Gletscher des Montblanc und des Berner Hochlandes umhertrieben, bis sie am gegenüber liegenden Jura strandeten und hier ihre Moränen absetzten; wenn man nicht gar annehmen will, wie es behauptet wird, daß das ganze Gebiet zwischen beiden Höhen von einem großen zusammenhängenden Gletscher bedeckt wurde, der später abschmolz und jene Felsentrümmer als Lenksäulen seiner Größe zurückließ. Welche von beiden Annahmen die richtige ist, steht noch dahin; auf jeden Fall aber rühren erratische Blöcke von Eismassen her, die sie trugen und da niedersetzten, wo wir sie gegenwärtig finden. Ist dies ermittelt, wie man jetzt allgemein zugibt, so wird sich ihr Ursprung aus der Übereinstimmung ihres Materials mit noch anstehenden Gebirgsgesteinen erkennen und daraus bald Nachweisen lassen, ob die erratischen Blöcke von Süden oder Norden, von Osten oder Westen herbeigeführt wurden. Nach dieser Entscheidung müssen andere Untersuchungen dartun, ob es auf dem Lande ruhende Gletscher, oder schwimmende Eisberge waren, welche die Findlinge fortschafften.
- Ende p. 56

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[*8]: Eine vortreffliche Arbeit über sie lieferte kürzlich Louis Agassiz, Untersuchungen über die Gletscher. Solothurn 1841. 8. mit Atlas in Folio.

[*9]: Da das gefrorene Wasser, wie Seite 50 bemerkt wurde, einen größeren Raum einnimmt, als dieselbe Quantität flüssiges, so ist natürlich jedes Stück Eis leichter als eine ebenso große Masse noch tropfbaren Wassers; weshalb alle Eismassen auf dem flüssig gebliebenen Wasser schwimmen, wenn dasselbe tief genug ist, um ihnen an Umfang gleich zu kommen. Ist das nicht der Fall, so stößt das Eis auf den Grund, und steht so lange fest, bis durch das Abtauen das Gleichgewicht des Umfanges zwischen ihm und dem tropfbaren Wasser hergestellt ist.

 

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Publiziert: 8.12.2019; Aktualisiert: 8.12.2019, 26.1.2020, 6.9.2020
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