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Geschichte der Geowissenschaften: Geologie

Neumayr & Uhlig (1897): Meteorit von Kakova

Historische Arbeiten

W. Griem, 2020

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Abbildung Meteorit
Abbildung Butsura
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Text Meteoriten
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Foto/Scan - Digital Bearbeitet: (W.Griem, 2007, 2019); von: M.Neumayr / V.Uhlig  (1897)  "Meteorit de Kakova"; Seite 69b Original Größe der Abbildung: 10 cm x 9 cm.
Titel: Meteorit de Kakova

Neumayr, M. Uhlig, V. (1897): Erdgeschichte. - Band 1: 692 Seiten, 378 Abbildungen; Band 2: 700 Seiten, 495 Abbildungen, Verlag Biblio­graphisches Institut, Leipzig und Wien.
[Sammlung W. Griem]

Die Abbildungen wurden mit einem HP Scanjet G3110 mit 600dpi eingescannt, danach mit Corel Draw - Photo Paint (v. 19) digital bearbeitet. Speziell Filter der Grau­stufen­verbesserung, Elimination von Flecken sowie Verbesserung der Schärfe wurden bei der Bild­bearbeitung angewandt (W. Griem 2020).

Die Texte wurden mit einer Pentax Kr-3 II digitalisiert und später mit ABBYY (v.14) verarbeitet und zur OCR vorbereitet. Fraktur­schriften wurden mit ABBYY Fine Reader Online in ASCII umgewandelt; "normale" Schriftarten mit ABBYY Fine Reader Version 14.
Die Texte wurden den heutigen Recht­schreib­regeln teilweise angepasst, es wurden erläuternde und orientierende Zeilen eingefügt (W.Griem, 2020).


Neumayr & Uhlig (1897): Meteorit von Kakova


Meteorit de Kakova ist heute im Museum von Wien ausgestellt. Kakova befindet sich in Rumänien (Banat) - der Meteorit schlug am 19. Mai im Jahre 1858 dort ein.

Original Text, Neumayr & Uhlig (1897)
Meteorite (II)
p. 97

[hier vorheriger Text]
Selbst bei den großen Steinregen kommen meist „ganze" Exemplare herab; so werden im Pariser Museum für Naturwissenschaften allein 950 ganze Steine von dem einen Falle von Pultusk vom 30. Januar 1868 aufbewahrt. Die Bildung so zahlreicher gut abgerundeter Fragmente durch Zersprengung einer einzigen Masse während des Zeitraums weniger Sekunden, die sie in der Atmosphäre zubringt, ist ein Ding der Unmöglichkeit; man sieht sich daher zu der Annahme gezwungen, daß sich ganze Schwärme von Körpern eng gedrängt im Weltraum bewegen. Man kennt zwar Fälle von Zersprengung eines Meteors während der Zeit, in welcher es mit kosmischer Geschwindigkeit durch die Luft stürmt, Fälle, in welchen jedes Bruchstück vollständig glasig überrindet ist; so fand man bei Quenggouk in Indien zwei genau zusammenpassende Fragmente in einer Entfernung von etwa einer englischen Meile voneinander, welche an den Bruchflächen leicht überrindet waren, und bei dem Falle von Butsura in Ostindien, vom 12.Mai 1861, fand man drei Stücke, die in gegenseitigen Entfernungen von 2 englischen Meilen lagen und vollkommen zusammenpaßten (vgl. Abbildung 77); doch gehören diese Fälle zu den Ausnahmen, und keinesfalls kann man Steinregen wie die oben genannten auf derartige Vorgänge zurückführen. Für die Erklärung solcher Fälle reicht nur die Annahme von Meteoritenschwärmen aus. Allerdings scheint dieser Auffassung ein ziemlich handgreiflicher Einwurf gegenüberzustehen: das Meteor tritt als eine geschlossene Feuerkugel auf, wie sollte dasselbe aus einigen Hundert oder Tausend kleiner Bruchstücke bestehen? Diese Zweifel werden jedoch durch eine höchst wichtige Beobachtung des berühmten Vorstands der Sternwarte in Athen, Julius Schmidt, zerstreut, des ersten Astronomen, dem es gelungen ist, eine Feuerkugel, ersten Ranges durch ein Teleskop zu beobachten. Wenn man bedenkt, wie spärlich solche Erscheinungen auftreten, wie kurz sie dauern, und mit welcher Blitzeseile sie in der Regel vorüberziehen, so wird es begreiflich, daß sie überaus selten zur Beobachtung gelangen. Das Meteor erwies sich, durch das Fernrohr betrachtet, als aus zahlreichen Teilen zusammengesetzt; es bestand aus zwei strahlend grünen Stücken von tropfenförmiger Gestalt, welche lange feuerrote Schweiflinien zurückließen; hinter ihnen folgte ein Schwarm grünstrahlender Fragmente von sehr verschiedener Größe, deren jedes eine rote Feuerlinie mit sich führte. Besonders wird hervorgehoben, daß der wirkliche Durchmesser der Erscheinung ein sehr viel kleinerer war, als er dem freien Auge erschien, eine Tatsache, welche von großer Wichtigkeit ist, da sie zeigt, daß der oft hervorgehobene Kontrast zwischen den großen Dimensionen der Meteore und der geringen Masse der niederfallenden Steine lediglich auf einer durch das blendende Licht der ersteren erregten Sinnestäuschung beruht. Das bedeutendste Resultat ist aber jedenfalls der sichere Nachweis, daß eine größere Anzahl meteorischer Körper in geschlossenem Schwarm und mit parallelen Bahnen die Atmosphäre durchzieht und dabei dem unbewaffneten Auge als eine einzige Feuerkugel erscheinen kann, wie dies namentlich von Haidinger schon längst angenommen worden war. 

Die Größe und Masse der Steine, welche auf die Erde niederfallen, ist in der Regel keine bedeutende; der Eisenblock von Santa Katharina in Brasilien wog allerdings 2250 kg, eine zweite in Brasilien gefundene Masse wurde auf 7000 kg geschätzt, wiewohl ihre Größe noch nicht 1 cbm erreichte, und zwei zusammengehörige schollenförmige Eisen von 4,65 in Länge und 1,5 m Breite, welche bei Chupaderos in Mexiko gefunden wurden, wiegen gar 24—25,000 kg; aber unter den nichtmetallischen Aerolithen kennt man nur einzelne von 200—300 kg selten überschreiten sie 50 kg, und bei den meisten bleibt das Gewicht bedeutend unter diesen Grenzen. Sehr kleine „ganze" Steine kennt man ebenfalls verhältnismäßig wenige, doch liegt der Grund hierfür wohl lediglich in der großen Schwierigkeit, dieselben zu finden. Bei dem Falle von Heßle bei Upsala in Schweden, welcher am 1. Januar 1869 stattfand, erleichterte eine Schneedecke die Aufsuchung, und infolgedessen gelang es hier, viele solcher kosmischen Körper bis zu winzigen Dimensionen nachzuweisen; der kleinste, welcher in Stockholm aufbewahrt wird, hat ein Gewicht von 0,06 g.

Solche Vorkommnisse bilden den Übergang zu förmlichem Meteorstaub, dessen Ankunft ebenfalls in manchen Fällen nachgewiesen wurde. So fand man in Schweden auf der winterlichen Schneedecke schwarzen Staub, der sich als aus Eisenpartikelchen bestehend erwies und als meteorisch gedeutet wird. Ja, in den größten Tiefen des Meeres, weitab vom Festland, wo sich nur überaus geringe Mengen von Absatz aus dem Wasser Niederschlagen, enthält dieses Sediment, besonders der sogenannte rote Tiefseeschlamm, braungelbe, mit nickelhaltigem Eisen überrindete Körnchen von 0,5 mm Durchmesser, welche sich als meteorische Bronzitchondrite darstellen und beweisen, daß die Tiefseeablagerungen zu einem ziemlich beträchtlichen Teile aus Meteorstaub bestehen.

Die Meteoriten „fallen vom Himmel", aber woher kommen sie, welches ist ihr Ursprung? Diese Fragmente, von welchem Himmelskörper stammen sie, aus welchen Regionen des Weltraums gelangen sie zu uns?

Über diese ebenso wichtigen wie schwierigen Fragen sind schon viele Hypothesen aufgestellt und erwogen worden, und wenn auch eine derselben heute vorwiegend Anklang findet, kann man die Sache doch noch nicht als vollständig entschieden betrachten.

Ursprünglich dachte man daran, daß die Meteoriten „verdichtete Dünste" des Weltraums seien, und diese Ansicht wird auch heute noch vertreten. Später betrachtete man die Meteoriten als Auswürflinge der angenommenen Mondvulkane, und nachdem diese Ansicht lange Zeit für gänzlich unhaltbar gegolten hatte, wurde sie neuestens von ernster astronomischer Seite wieder in den Vordergrund gerückt und diskussionsfähig gemacht.

Meteorit von Butsura

Abb. 77: Meteorit von Butsura - Neumayr & Uhlig

Die Bomben der Mondvulkane müßten mit ungeheurer Anfangsgeschwindigkeit ausgeschleudert worden sein, um die Mondanziehung überwinden und um Mond und Erde kreisen zu können. Hierin und in der großen Schnelligkeit der Bewegung der Meteoriten erblickt man die Hauptschwierigkeit dieser Anschauung. Von anderer Seite wurde auf die Sonneneruptionen hingewiesen, aber diese Idee wurde bald abgelehnt, da, wie man weiß, die Substanz der Protuberanzen stets in die Sonne zurückfällt. Forscher, welche an diese Frage hauptsächlich vom petrographischen und geologischen Standpunkt herantreten, sind zumeist geneigt, mit Rücksicht auf die weiter unten zu besprechende Analogie zwischen dem meteorischen und dem Magma der großen Erdtiefen, den Bestand von ähnlich wie die Erde gebauten planetarischen Körpern anzunehmen. Diesen werden die Meteoriten zugeschrieben, und zwar werden zur Bildung der Meteoriten teils vulkanische Eruptionen solcher Weltkörper, teils ein Zerfall derselben in viele kleine Scherben vorausgesetzt.

Diejenige Anschauung, welche namentlich unter den Astronomen die meisten Anhänger zählt, bringt die Meteorsteine in Verbindung mit den Sternschnuppen und Kometen. Nachdem ein Zusammenhang zwischen diesen Erscheinungen schon seit längerer Zeit von verschiedenen Forschern vermutet worden war, hat Schiaparelli durch seine scharfsinnigen Untersuchungen wichtige Gründe für das Bestehen eines solchen Zusammenhanges beigebracht; seine Lehre wurde dann durch E. Weiß in manchen Punkten abgeändert und bildet jedenfalls die beste Erklärung der Erscheinungen, die bisher gegeben worden ist.

Das schöne Phänomen der Sternschnuppen ist allgemein bekannt; in jeder heiteren Nacht sieht man von Zeit zu Zeit, mehrmals in einer Stunde, wie ein Stern aus der Zahl der übrigen hervorzubrechen scheint und mit großer Schnelligkeit am Himmel dahinschießt, um nach wenigen Augenblicken wieder zu verschwinden. Man weiß jetzt mit Bestimmtheit, daß die Sternschnuppen wie die Meteoriten feste Körper sind, die mit kosmischer Geschwindigkeit aus dem Weltraum in die Erdatmosphäre eindringen und hier zu leuchten beginnen; die Höhe, in welcher sie erscheinen und wieder erlöschen, ist sehr wechselnd, doch kann man dieselbe für ihr Aufleuchten durchschnittlich mit 15, für das Verschwinden mit 11 Meilen über der Erdoberfläche annehmen. Auch hier ist die Lichterscheinung von der durch die kosmische Geschwindigkeit des fliegenden Körpers erhitzten und komprimierten Luft veranlaßt; der Grund des Erlöschens kann nur darin gesucht werden, daß der Körper durch die glühende Temperatur, vielleicht auch durch einen Verbrennungsprozeß, zerstäubt oder verzehrt wird oder die Atmosphäre der Erde wieder verläßt.

In den meisten Nächten fallen die Sternschnuppen einzeln, ohne bestimmte Richtung und in längeren Zwischenräumen, in anderen dagegen zeichnen sie sich durch bedeutende, mitunter sogar durch außerordentlich große Häufigkeit aus. Im Jahre 1799 beobachtete A. von Humboldt in den Morgenstunden des 12. November zu Cumana in Venezuela von 2 ½ Uhr an Tausende von Feuerkugeln und Sternschnuppen am östlichen Himmel, welche alle in einer gleichmäßigen Richtung von Norden nach Süden zogen; er zeigte später, daß dieser Sternschnuppenregen in ganz Amerika vom Äquator bis Grönland und bis nach Deutschland beobachtet worden sei, so daß das Erscheinungsfeld dieses Phänomens etwa 1 Million Quadratmeilen umfaßte. Später erregte das Studium der Sternschnuppen, welches von den Astronomen anfangs stark vernachlässigt worden war, allgemeineres Interesse, und bald fand man, daß bestimmte Perioden des Jahres und gewisse Nächte durch bald stärkere, bald schwächere Meteorschauer ausgezeichnet seien. Man suchte nun Nachrichten über solche Vorkommnisse in alten Aufzeichnungen und Chroniken und gelangte zu dem interessanten Resultat, daß einzelne Sternschnuppenschwärme seit dreieinhalbtausend Jahren fast genau dieselben Tage einhalten; z. B.:

Tabelle der Meteorite
Tab1: Sternschnuppenschwärme

Weitaus am reichsten ist in der nördlichen Hemisphäre der Schwarm vom 13. zum 14. November, ferner der „Strom des heiligen Laurentius", dessen feurige Tränen nach altem Volksglauben in der Nacht des 10. August niederfallen. Im ganzen Verlauf des Jahres zeichnen sich für die nördliche Halbkugel die folgenden Tage durch größere Meteorschwärme aus, während spärlichere Ströme noch außerdem in sehr bedeutender Anzahl auftreten:

Tabla 2
Tab2: Meteoritenschwärme

Die Betrachtung eines dieser schönen Phänomene ergibt das wichtige Resultat, daß die Bahnen der einzelnen Sternschnuppen eines Schwarmes sich nicht regellos kreuzen, sondern daß sie nach rückwärts verlängert aus einen bestimmten Punkt des Himmels, den Radiationspunkt oder Radianten hinziehen oder von demselben ausgehen, der weder im Verlauf der Nacht noch von einem Jahre zum anderen sich ändert. So weisen die Meteore des Laurentiusstroms aus einen Punkt, der sich in der Nähe des Sternes γ im Sternbild des Perseus befindet, der Schwarm vom 13. November hat seinen Radiationspunkt zwischen den Sternen γ und µ, im Löwen, weshalb man dieselben auch die Ströme der Perseiden und der Leoniden genannt hat.

Die einzige Möglichkeit für die Erklärung der Verhältnisse, wie wir sie hier kennengelernt haben, ist die, daß die in einer jeden solchen Nacht sichtbar werdenden Meteore zu einem Schwarme gehören, welcher, aus einer Ungeheuern Anzahl kleiner Körper bestehend, die Sonne in gemeinsamer Bahn umkreist; letztere schneidet die Erdbahn in einem Punkte, den die Erde am Tage des Sternschnuppenschauers passiert, und bei seinem Durchgang durch den Meteorstrom reißt dann unser Planet vermöge seiner Schwere einen Teil jener kleinen Körper zu sich hernieder.

Wie schon erwähnt, sind die beiden Ströme der Perseiden (9.—13. August) und der Leoniden (13.—14. November) bei weitem die reichsten, welche die Erde kreuzt. Aber nicht in jedem Jahre ist der Glanz der Erscheinung derselbe; die Perseiden zeigen sich alle 108 Jahre in einem Maximum des Glanzes, das jedoch nicht vorübergehend ist, sondern 20—30 Jahre anhält. Noch auffallender ist der Wechsel der Leoniden. Wir haben schon die Schilderung erwähnt, welche Humboldt von dem zu Cumana beobachteten Falle gibt; weiter sahen in der Nacht vom 12. zum 13. November 1833 Olmsted und Palmer zu Newhaven in Nordamerika, wie Feuerkugeln raketenartig von einem einzigen Punkt des Himmels ausgingen und zwar in so großer Zahl, daß sie dicht wie Schneeflocken fielen und der Himmel fast ganz in Feuer zu stehen schien; es wurde berechnet, daß dort in neun Stunden, während welcher die Erscheinung anhielt, mehr als eine Viertelmillion Meteore gefallen sein müssen. Allein bei weitem nicht in jedem Jahre zeigt sich so reiche Entwickelung; nach den gesammelten Berichten kehrt dieses Maximum in einer Periode von 33 ¼ Jahren, also dreimal in einem Jahrhundert wieder. Durch genaues Studium aller Daten konnte der abermalige Eintritt für die Nacht vom 13. zum 14. November 1866 vorausgesagt werden, und wirklich zeigte sich zur berechneten Zeit der Sternschnuppenschwarm in kaum geahnter Schönheit. Aus einer solchen periodischen Wiederkehr der höchsten Entfaltung konnte geschlossen werden, daß die kosmischen Körper, die einen derartigen Schwarm bilden, nicht längs der ganzen Bahn desselben gleichmäßig verteilt, sondern an einer Stelle besonders dicht gedrängt sind, und aus der regelmäßigen Wiederkehr dieses Maximums konnte auch die Zeit bestimmt werden, welche der Schwarm nötig hat, um seine Bahn zu durchlaufen. Für die Leoniden wurde diese Zeit aus 33,25 Jahre festgestellt. Da man die Umlaufszeit, die Richtung und durch gewisse Kombinationen, die wir hier nicht eingehend besprechen können, die Geschwindigkeit der Meteore, endlich den einen Brennpunkt der Bahn, die Sonne, kennt, so war damit die Möglichkeit vorhanden, die Bahnen von Meteoriten zu berechnen, und es ergab sich, daß diese Kurven mit solchen, welche die periodischen Kometen in ihrem Lauf verfolgen, die größte Verwandtschaft besitzen.

Ein gewaltiger Fortschritt in dieser Richtung war es, als Schiaparelli zeigte, daß die Bahn der Perseiden mit derjenigen des dritten Kometen von 1862 zusammenfüllt, während für die Leoniden nachgewiesen wurde, daß der erste Komet des Jahres 1866 in demselben Verhältnis zu ihnen steht. Ebenso hängt der erste Komet von 1861 mit dem Schwarm vom 26. April, der Bielasche Komet mit dem Schwarm vom 27.—29. November zusammen, und noch für eine Anzahl anderer Meteorströme ist es gelungen, sie mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auf die Bahnen bekannter Kometen zurückzuführen. 

Es kann nicht unsere Absicht sein, hier die astronomische Seite der Frage eingehend zu besprechen; es mag genügen, die nachgewiesene Möglichkeit hervorzuheben, daß ein Komet durch die Einwirkung der Sonne oder eines Planeten, welchem er sich stark nähert, zerfalle oder ganz oder teilweise aufgelöst werde [*1].

Die einzelnen Teile oder Fragmente müssen sich längs der Bahn des Kometen verteilen und dieselbe weiter verfolgen und so längs dieser den Meteorring bilden, aus welchen! Die Sternschnuppenschwärme herrühren (s. untenstehende Abbildung). Der Zusammenhang zwischen beiderlei Erscheinungen ist ein so inniger, daß, wie E. Weiß es aussprach, nicht nur jeder periodische Komet die Bildung eines Meteorschwarms veranlassen muß, sondern auch jeder periodisch wiederkehrende Sternschnuppenfall überhaupt der Kreuzung der Erdbahn mit derjenigen eines periodischen Kometenseinen Ursprung zu verdanken hat.

Kometenbahnen nach Neumayr & Uhlig, 1897

Abb. 78: Kometenbahnen - Neumayr & Uhlig

Sind wir nun berechtigt, wie oben angedeutet wurde, auch die auf die Erde niederfallenden Meteorsteine mit den Sternschnuppen zu identifizieren und sie somit als Bruchstücke von Kometen zu betrachten? Beide sind feste Körper, die mit ungeheurer Geschwindigkeit in unsere Atmosphäre eindringen; beide komprimieren die Luft auf ihrem Wege vor sich her außerordentlich stark, wodurch heftige Erhitzung, Glühen und Aufleuchten hervorgebracht wird. Allerdings herrscht ein bedeutender Kontrast zwischen dem kleinen Stern, der lautlos am Himmel hinzieht und verschwindet, und der gewaltigen Feuerkugel, die brausend und rollend herankommt und nach gewaltiger Detonation den Steinregen niedersendet; allein diese zwei Erscheinungen bilden nur die beiden Extreme einer Reihe von Phänomenen, zwischen denen alle Übergänge Vorkommen. Sehr kleine oder sehr rasch in der Atmosphäre sich bewegende Körper werden verzehrt, ehe sie die Erde erreichen, und auch das Geräusch der Detonation dringt aus jenen hohen Regionen nicht bis zur Erdoberfläche herab. Diese Erwägungen berechtigen wohl dazu, dem Auftreten von Meteoriten und Sternschnuppen dieselbe Ursache zuzuschreiben, und eine Bestätigung dieser Auffassung erhält man dadurch, daß es in einzelnen Fällen gelungen ist, Aerolithen mit Wahrscheinlichkeit auf Radiationspunkte bekannter Sternschnuppenschwärme zurückzuführen. Wenn trotzdem weder zur Zeit der Leoniden noch der Perseiden nach den Verzeichnissen mehr Aerolithen auf die Erdoberfläche gelangen als zu anderen Zeiten, so erscheint dies zwar als ein Widerspruch, doch ergibt eine genauere Erwägung, daß derselbe keinerlei Bedeutung hat.

Die Astronomen nehmen an, daß die Atmosphäre der Erde täglich von 18—12 Millionen Sternschnuppen gekreuzt wird, während man die Zahl der in einem Tage niederfallenden Meteorsteine auf 2 — 3 schätzt; daraus geht hervor, daß von allen den festen Körpern, welche in die Atmosphäre eintreten, nur ein ganz verschwindend kleiner Teil bis zur Erde gelangt, die ungeheure Mehrzahl dagegen auf ihrem Wege durch die Atmosphäre zerstört wird. Daher werden die Verhältnisse, unter welchen ein Meteorstrom in die Atmosphäre gelangt, von größerer Wichtigkeit für die Erhaltung der einzelnen Körper sein als die Zahl dieser. Die Zerstörung der Meteore ist eine Wirkung der Schnelligkeit, mit der sich dieselben durch die Atmosphäre bewegen; je rascher also die Körper eines Schwarmes die Luft durchschneiden, um so mehr werden sie der Vernichtung ausgesetzt sein, ohne die Erdoberfläche zu erreichen. Die Geschwindigkeit nun, mit welcher ein Meteor die Luft durchschneidet, hängt nicht nur von seiner eigenen Beschleunigung, sondern ganz wesentlich auch von der Richtung ab, in der es auf die Erde trifft. Kommt das Meteor aus derjenigen Richtung, nach welcher die Erde sich gerade in ihrer Bahn bewegt, so wird die Sternschnuppe die Atmosphäre, die sich ja mit der Erde fortbewegt, mit einer Geschwindigkeit durchschneiden, welche derjenigen der Erde (fast 4 Meilen in der Sekunde) plus derjenigen des Meteors gleichkommt; im entgegengesetzten Falle, wenn die Sternschnuppe aus jener Region kommt, aus welcher die Erde sich fortbewegt, wenn sie mit anderen Worten die Erde einholen muß, dringt sie verhältnismäßig viel langsamer in die Atmosphäre ein, ihre Geschwindigkeit in dieser ist dann gleich der ursprünglichen Beschleunigung des Meteors minus derjenigen der Erde.

Es geht daraus hervor, daß für Schwärme, welche der Erde gerade entgegenkommen oder die Richtung der letzteren unter einem sehr spitzen Winkel schneiden, verhältnismäßig wenig Aussicht auf die Erhaltung der Meteore und somit auf den Falle von Steinen vorhanden ist; gerade die Leoniden und Perseiden befinden sich in diesem Falle, woraus wir uns wohl erklären können, warum die Zeit vom 9.—13. August und vom 18. zum 14. November nicht durch häufigere Aerolithenfälle ausgezeichnet ist.


Ende - p. 103

[*1]: Das Zerfallen eines Kometen in zwei oder mehrere ist eine mehrfach konstatierte Tatsache; das bekannteste Beispiel bietet der Bielasche Komet, der sich im Januar 1646 in zweiteilte, und der Brookssche Komet aus dem Jahre 1890.

Literatur:

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Publiziert: 4.8.2019 / Aktualisiert: 4.8.2019, 5.7.2020
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